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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wetteifern, den ich nur
    373
    an Bescheidenheit übertreffen will)2 selbst herausfinden
    lassen, wie beide Motive vierzig Jahre später im
    Foucaultschen Pendel ausgebeutet worden sind.
    Zwischendurch schrieb ich auch Uralte Geschichten vom
    jungen Universum , deren Protagonisten die Erde und die anderen Planeten kurz nach der Entstehung des Kosmos
    waren, erfüllt von wechselseitigen Eifersüchten und
    Leidenschaften. In einer Geschichte verliebte sich Venus
    in das Sonnengestirn (das bei uns bekanntlich maskulin
    ist), riß sich mit äußerster Anstrengung aus ihrer
    Umlaufbahn und stürzte sich ihm entgegen, um in der
    glühenden Masse des Geliebten zu vergehen. Meine
    einfältigen kleinen Cosmicomics.
    Mit sechzehn entdeckte ich die Liebe zur Dichtung. Ich
    verschlang die Hermetiker, aber mein Herz schlug für die
    Neoklassizisten der Ronda , und im großen ganzen hielt ich mich an Cardarelli. Ich kann nicht mehr rekonstruieren, ob
    es der Drang nach Poesie war (zur selben Zeit entdeckte
    ich Chopin), der das Erwachen meiner ersten,
    uneingestandenen und platonischen Liebe determinierte,
    oder umgekehrt. Die Verbindung war in jedem Fall
    desaströs, und nicht einmal die zärtlichste und
    narzißtischste Nostalgie erlaubt mir heute, zu jenen
    Versuchen zurückzukehren, ohne tiefe und begründete
    Scham zu empfinden. Doch aus jener Erfahrung muß mir
    auch eine strenge kritische Moralität erwachsen sein: jene,
    die mich im Laufe weniger Jahre zu der Erkenntnis
    brachte, daß meine Lyrik denselben funktionalen
    Ursprung und dieselbe formale Konfiguration wie die

    2 Anspielung auf eine berühmte Stelle im 1. Kapitel der Promessi Sposi , wo Manzoni ironisch seine »fünfundzwanzig Leser«
    anspricht (A. d. Ü.).
    374
    Pubertätsakne hatte. Daher die Entscheidung (an die ich
    mich drei Jahrzehnte lang gehalten habe), vom
    sogenannten kreativen Schreiben abzulassen und mich auf
    die philosophische Reflexion und die essayistische
    Tätigkeit zu beschränken.
    Der Essayist und der Erzähler
    Eine Entscheidung, die ich über dreißig Jahre lang nie
    bedauert habe. Soll heißen, ich habe nicht zu denen gehört,
    die dazu verurteilt sind, wissenschaftliche Bücher zu
    schreiben, während sie innerlich vom glühenden Wunsch
    verzehrt werden, in die Kunst überzuwechseln. Ich
    empfand mich durchaus als selbstverwirklicht, ja ich sah
    mit einem Anflug von platonischer Verachtung auf die
    Poeten herab und betrachtete sie als Gefangene ihrer Lüge,
    Nachahmer von Nachgeahmtem, unfähig zu jener Sicht
    der hyperuranischen Idee, mit der ich – als Philosoph –
    täglich keusch und gelassen zu verkehren das Gefühl
    hatte.
    Tatsächlich war ich, wie ich mir heute bewußt mache,
    zur gleichen Zeit dabei, eine narrative Passion zu
    befriedigen, ohne es zu bemerken, und zwar auf drei
    Arten. Erstens durch eine ständige Übung in mündlichem
    Erzählen (mir fehlten sehr meine jüngeren Geschwister,
    denen ich, als sie größer wurden, keine Märchen mehr
    erzählen konnte). Zweitens durch das Spiel mit
    literarischen Parodien und pastiches verschiedener Art (die sich in meinem Ende der fünfziger bis Anfang der
    375
    sechziger Jahre entstandenen Diario minimo 3 nieder-
    geschlagen haben). Und drittens, indem ich aus jedem
    kritischen Essay eine Erzählung machte. Diesen Punkt
    muß ich genauer erklären, denn ich halte ihn für wesent-
    lich zum Verständnis sowohl meiner essayistischen Tätig-
    keit als auch meiner (späten) Zukunft als Erzähler.
    In der mündlichen Diskussion meiner Doktorarbeit über
    das Ästhetikproblem bei Thomas von Aquin war ich sehr
    verblüfft über einen Einwand des zweiten Berichterstatters
    (Augusto Guzzo, der dann jedoch meine Arbeit so publi-
    zierte, wie sie war): Im Grunde, sagte er, hast du die ver-
    schiedenen Phasen deiner Forschung so in Szene gesetzt,
    als ob es sich um eine kriminalistische Untersuchung
    handelte, mit Erörterung auch der falschen Fährten, der
    Hypothesen, die du später verworfen hast, während der
    reife Forscher diese Erfahrungen wegsteckt und der
    Öffentlichkeit in der Endfassung nur die Ergebnisse prä-
    sentiert. Ich gab zu, daß meine Arbeit ganz so war, wie er
    sagte, aber ich empfand das nicht als einen Mangel. Im
    Gegenteil, gerade damals gelangte ich zu der Überzeu-
    gung, daß jede Forschung auf diese Weise »erzählt«
    werden muß. Und so glaube ich es auch in allen meinen
    späteren theoretischen und essayistischen Werken getan zu
    haben.
    Ich konnte also

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