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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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in Ruhe leben, ohne Geschichten zu
    schreiben, da ich meine narrative Passion de facto auf
    andere Weise befriedigte; und sollte ich doch einmal
    Geschichten schreiben, würden sie nichts anderes sein als
    Berichterstattungen über eine Recherche (nur daß man

    3 Mailand, Mondadori, 1963; dt. (in Auswahl) Platon im Striptease-Lokal , Hanser 1990 (A. d. Ü.).
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    diese in der erzählenden Literatur eine quest oder quête nennt).
    Womit fängt man an?
    Im Alter zwischen sechsundvierzig und achtundvierzig
    habe ich meinen ersten Roman geschrieben, Der Name der
    Rose . Ich habe nicht vor, hier die Gründe (wie sagt man?
    die existentiellen?) zu erörtern, die mich dazu gebracht
    haben, einen ersten Roman zu schreiben; sie sind
    vielfältiger Art, vermutlich bestärken sie sich gegenseitig,
    und ich denke, wenn man die Lust verspürt, einen Roman
    zu schreiben, ist das Grund genug.
    Eine der Fragen, die die Herausgeberin dieses Bandes
    den von ihr ausgewählten Autoren gestellt hat, lautet,
    welche Phasen es beim Hervorbringen eines Textes gebe.
    Die Frage impliziert glücklicherweise, daß der Schreib-
    prozeß Phasen durchläuft. Gewöhnlich schwanken naive
    Interviewer zwischen zwei Überzeugungen, die einander
    widersprechen: einerseits, daß ein sogenannter kreativer
    Text sich quasi blitzartig in der mystischen Flamme einer
    plötzlichen Eingebung bildet, andererseits, daß der Autor
    ein Rezept befolgt hat, eine Art geheime Regel, die man
    gerne aufdecken würde.
    Es gibt keine Regel, beziehungsweise es gibt viele, die
    sehr variabel und flexibel sind; und es gibt auch nicht das
    Magma der Inspiration. Aber es stimmt, daß es eine Art
    von erster Idee gibt, und es gibt sehr präzise Phasen eines
    Prozesses, der sich schrittweise entwickelt.
    Meine drei Romane haben sich alle aus einer Ideen-
    Keimzelle entwickelt, die wenig mehr als ein Bild war.
    Diese erste Idee war es, die mich gepackt und den Wunsch
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    geweckt hatte, sie weiterzuverfolgen. Bei Der Name der
    Rose war es die Idee der Ermordung eines Mönches in
    einer Bibliothek. Da ich in meiner Nachschrift zum
    › Namen der Rose ‹geschrieben habe: »Ich hatte den Drang, einen Mönch zu vergiften«, ist diese provokatorische Formel wörtlich genommen worden und hat eine
    Reihe von Fragen ausgelöst, warum ich denn um Himmels
    willen ein solches Verbrechen begehen wollte. Aber ich
    hatte gar keinen Drang, einen Mönch zu vergiften (und
    habe es auch nie getan): Ich war lediglich fasziniert vom
    Bild eines Mönches, der vergiftet wird, während er in
    einer Bibliothek ein Buch liest. Ich weiß nicht, ob ich von
    der traditionellen Poetik des angelsächsischen Krimis
    beeinflußt war, nach der das Verbrechen in einer Pfarrei
    begangen werden muß. Vielleicht waren Gefühle in mir
    wach geworden, die ich mit sechzehn verspürt hatte, als
    ich in den Ferien an einem Exerzitienkurs in einem
    Benediktinerkloster teilnahm, wo ich zwischen gotischen
    und romanischen Kreuzgängen umherspazierte und
    plötzlich in eine Bibliothek geriet, in der aufgeschlagen
    auf einem Lesepult die Acta Sanctorum lagen, aus denen ich erfuhr, daß es nicht nur, wie man mir weisgemacht
    hatte, einen seligen Umberto gibt, der am 4. März gefeiert
    wird, sondern auch einen heiligen Bischof Umberto, der
    am 6. September gefeiert wird und einen Löwen in einem
    Wald bekehrt hat. Doch offenbar ist mir seit damals, als
    ich in jenem vertikal vor mir aufgeschlagenen Folianten
    blätterte, umgeben von einer souveränen Stille, zwischen
    Lichtstrahlen, die durch gleichsam geriffelte Milchglas-
    scheiben einfielen auf Wände, die in Spitzbögen endeten,
    ein Moment von Unruhe geblieben.
    Ich weiß es nicht. Tatsache ist, daß mich jenes Bild des
    beim Lesen ermordeten Mönches irgendwann aufforderte,
    etwas um es herumzubauen. Der Rest ist dann nach und
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    nach entstanden, um jenem Bild einen Sinn zu geben,
    einschließlich der Entscheidung, die ganze Geschichte ins
    Mittelalter zu verlegen. Zu Anfang hatte ich noch gedacht,
    sie müßte in unserer Zeit spielen, dann sagte ich mir, da
    ich das Mittelalter nun einmal kannte und liebte, könnte es
    ebensogut auch der Schauplatz meiner Geschichte sein.
    Alles weitere ergab sich dann mit der Zeit beim Lesen,
    beim Betrachten von Bildern, beim Wiederöffnen von
    Schränken, in denen sich seit fünfundzwanzig Jahren
    meine mediävistischen Zettelkästen befanden, die ich zu
    ganz anderen Zwecken angelegt hatte.
    Mit dem Foucaultschen Pendel

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