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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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verhielt es sich
    komplizierter. Die Bild-Keimzelle – genauer: die zwei
    Bilder, aus denen das Ganze hervorgehen sollte – habe ich
    mir erst suchen müssen, so wie ein Psychoanalytiker das
    Geheimnis seines Patienten nach und nach aus
    Erinnerungsfetzen und Traumfragmenten zutage fördert.
    Am Anfang hatte ich nur eine Unruhe: Ich habe einen
    Roman geschrieben, sagte ich mir, den ersten meines
    Lebens, und vielleicht den letzten, denn mir scheint, daß
    ich alles hineingelegt habe, was mir Vergnügen und was
    mir Sorgen bereitet, und alles, was ich, sei’s auch nur
    indirekt, über mich sagen kann. Gibt es noch etwas
    anderes, was wirklich zu mir gehört und was ich erzählen
    könnte? So kamen mir zwei Bilder in den Sinn.
    Das erste war das des Pendels, das ich zum ersten Mal
    vor über dreißig Jahren in Paris gesehen hatte. Es hatte mir
    großen Eindruck gemacht, und ich sage nicht, daß ich es
    die ganze Zeit über vergessen hätte. Im Gegenteil, in den
    sechziger Jahren bin ich einmal von einem befreundeten
    Regisseur gebeten worden, das Drehbuch für einen Film
    zu schreiben. Ich möchte hier nicht darüber sprechen, denn
    das Sujet ist dann schlecht verwendet worden, um daraus
    einen scheußlichen Film zu machen, der mit meiner
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    ursprünglichen Idee nichts mehr zu tun hatte, und zum
    Glück konnte ich erreichen – auch dank der Tatsache, daß
    ich nur ein symbolisches Honorar bekommen hatte –, daß
    mein Name nirgendwo erwähnt wurde. Aber es gab in
    jenem Drehbuch eine Szene, die in einer Höhle spielte, in
    deren Mitte ein Pendel hing, an das sich dann jemand
    klammerte, um durchs Dunkel zu schwingen.
    Das zweite Bild, das sich mir aufdrängte, war das von
    mir selbst als dreizehnjährigem Bub, der bei einem
    Begräbnis von Partisanen die Trompete spielte. Eine
    wahre Geschichte, die ich übrigens immer wieder erzählt
    hatte. Nicht oft, aber stets in Situationen von großer
    Zärtlichkeit: spätabends bei einem letzten Whisky im
    Dunkel einer einladenden Bar, oder bei einem Spaziergang
    am Ufer eines stillen Gewässers, wenn ich spürte, daß eine
    Frau vor mir oder an meiner Seite nichts anderes
    erwartete, als eine schöne Erzählung zu hören, um dann zu
    sagen »wie schön« und meine Hand zu nehmen. Eine
    wahre Geschichte, mit der sich verschiedene Erinnerungen
    verbanden und die ich als schön empfand.
    Das war’s: das Pendel und jene Szene auf einem
    Friedhof an einem sonnigen Morgen. Ich spürte, daß ich
    von diesen beiden Dingen würde erzählen können. Das
    Problem war nur: Wie kommt man vom Pendel zur
    Trompete? Die Antwort hat mich acht Jahre gekostet, und
    sie ist der Roman.
    Auch bei der Insel des vorigen Tages bin ich von zwei sehr kräftigen Bildern ausgegangen, die mir fast sofort vor
    Augen standen, als ich mich fragte: Was könnte ich
    erzählen, wenn ich einen dritten Roman schreiben müßte?
    Ich habe zuviel von Klöstern und Museen erzählt, sagte
    ich mir, also von Stätten der Kultur: Ich sollte es einmal
    mit der Natur versuchen. Einfach Natur und sonst gar
    nichts. Und wo würde ich gezwungen sein, nichts als
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    Natur zu sehen? Bei einem Schiffbrüchigen auf einer
    einsamen Insel.
    Zur selben Zeit, aber aus ganz anderen Gründen, hatte
    ich mir eine jener Uhren mit »Weltzeit« gekauft, auf
    denen sich ein mittlerer Kranz gegen den Uhrzeigersinn
    dreht, um die Ortszeit mit einer Reihe von Ortsnamen auf
    einem größeren Kranz zu korrelieren. Diese Art Uhren
    haben auch ein Zeichen, das die Datumslinie anzeigt. Daß
    es diese Linie gibt, wissen wir alle, sei’s auch nur aus der
    Lektüre von In achtzig Tagen um die Welt , aber wir
    denken nicht jeden Tag daran. Für mich war es wie eine
    Offenbarung: Mein Schiffbrüchiger mußte sich westlich
    dieser Linie befinden und eine Insel im Osten sehen, die
    nicht nur räumlich entfernt war, sondern auch zeitlich.
    Von da bis zu der Entscheidung, ihn nicht auf diese Insel,
    sondern vor sie zu versetzen, war es nur ein kleiner Schritt.
    Doch zunächst gab nur meine Uhr an dem
    schicksalsträchtigen Punkt die Alëuten-Inseln an, und ich
    sah keinen rechten Grund, jemanden dorthin zu versetzen,
    um ihn etwas tun zu lassen. Wohin? Sollte er auf einer
    Ölplattform zurückgeblieben sein? Außerdem muß ich,
    wie ich gleich noch genauer ausführen werde, wenn ich
    von einem Ort erzählen will, dort gewesen sein, und die
    Vorstellung, mich in eine so kalte Gegend zu begeben, um
    nach einer Ölplattform zu suchen, war alles

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