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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fixierten, und das
    Bewußtsein, daß unter seinen Zuhörern einer war, den er
    faszinieren wollte, schien seinem Witz noch mehr Schärfe
    und seiner Phantasie noch mehr Farbe zu geben.«
    Lord Wotton delektiert sich an dem, was er für Paradoxe
    hält, aber seine Bekannten haben keine besonders hohe
    Meinung von Paradoxen:
    »Man sagt, wenn die guten Amerikaner sterben, gehen sie nach
    Paris«, feixte Sir Thomas, der über ein großes Repertoire an
    Aperçus aus zweiter Hand verfügte.
    »Paradoxe passen auf ihre Art immer«, meinte der Baronet.
    Es stimmt zwar, daß Mr. Erskine daraufhin sagt: »War
    das ein Paradox? Mir kam es nicht so vor. Aber vielleicht
    habe ich mich getäuscht. Nun, der Weg des Paradoxons ist
    der Weg der Wahrheit. Um die Wirklichkeit zu testen,
    muß man sie auf dem Seil tanzen sehen. Nur wenn die
    Wahrheiten Akrobaten werden, können wir sie beur-
    teilen.« Mr. Erskine hat sich nicht getäuscht, aber Lord
    Henry geizt mit Paradoxen (da er nichts hat, woran er
    glauben kann), und was auf seinem Seil tanzt, ist der
    common sense , nicht die Wahrheit. Doch andererseits, was hat für Lord Henry schon Bedeutung?
    »Und nun, mein lieber junger Freund – wenn Sie mir erlauben,
    Sie so zu nennen –, darf ich Sie fragen, ob Sie das alles wirklich meinten, was Sie uns bei Tisch gesagt haben?« – »Ich habe völlig vergessen, was ich gesagt habe«, antwortete Lord Henry lächelnd.
    »War es so schlimm?«
    Im Dorian Gray werden wenige wirklich schlimme
    Dinge gesagt und viele getan. Aber im Grunde tut Dorian
    sie, weil seine Freunde ihn mit ihren falschen Paradoxen
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    verdorben haben. Am Ende ist dies die Lehre, die wir aus
    dem Roman ziehen können. Doch sogar diese Lehre
    würde Oscar Wilde verneinen, schließlich hat er in der
    Vorrede des Romans gesagt: »Der Künstler hat keine
    ethischen Überzeugungen. Eine ethische Überzeugung bei
    einem Künstler ist eine unverzeihliche Manieriertheit des
    Stils.« Und im Dorian Gray liegt der Stil in der Art, wie die Oberflächlichkeit in Szene gesetzt worden ist. Deshalb
    sollte man, auch wenn Oscar Wilde selbst dem von ihm
    zur Schau gestellten Zynismus, der seine Leser und
    Zuschauer entzückte, zum Opfer gefallen ist, ihm nicht das
    Unrecht antun, seine Aphorismen isoliert zu zitieren, als
    ob sie uns etwas lehren wollten oder könnten.
    Wahr ist, daß einige seiner besten Paradoxa in jenen
    »Sätzen und Philosophien zum Gebrauch der Jungen«
    stehen, die er ebendeshalb als Lebensmaximen in einem
    Oxforder Studentenmagazin veröffentlich hat:
    Die Bosheit ist ein von den Guten erfundener Mythos, um den
    eigenartigen Reiz der Nichtguten zu erklären.
    Die Religionen sterben, sobald sich ihre Wahrheit erweist. Die Wissenschaft ist das Inventar der toten Religionen.
    Gut erzogene Leute widersprechen den anderen. Die Weisen
    widersprechen sich selbst.
    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht der Gescheiterten.
    Bei Prüfungen stellen die Dummen Fragen, auf welche die
    Weisen nicht antworten können.
    Nur den großen Meistern des Stils gelingt es, immer unbemerkt
    durchzuschlüpfen.
    Die erste Pflicht des Lebens ist es, so artifiziell wie möglich zu sein. Welches die zweite ist, weiß ich nicht.
    Nichts, was wirklich geschieht, hat die geringste Bedeutung.
    Überdruß ist das höhere Alter der Ernsthaftigkeit.
    Wenn man die Wahrheit sagt, ist man sicher, früher oder später entdeckt zu werden. Nur wer wenig Tiefe hat, erkennt sich selbst.
    Doch in welchem Maße er diese Sätze als wahre Lehren
    ansah, sagt er in den Antworten, die er im Prozeß gab, als
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    sie ihm vorgehalten wurden: »Ich denke selten, daß etwas
    von dem, was ich schreibe, wahr ist.« Oder: »Dies ist ein
    amüsantes Paradox, aber als Maxime kann ich ihm nicht
    viel Wert beimessen.« Andererseits, wenn es stimmt, daß
    eine Wahrheit »aufhört wahr zu sein, sobald mehr als eine
    Person an sie glaubt« – auf welchen kollektiven Konsens
    könnte dann eine von Wilde gesagte Wahrheit hoffen?
    Und da »in allen unbedeutenden Dingen das wesentliche
    der Stil, nicht die Ernsthaftigkeit ist und in allen
    bedeutenden Dingen das wesentliche der Stil, nicht die
    Ernsthaftigkeit«, ist es richtig, von Wilde keine strenge
    Unterscheidung zwischen Paradoxa (wahren), Aphorismen
    (trivialen) und kanzerisierbaren (also falschen oder jedes
    Wahrheitswertes baren) Aphorismen zu verlangen. Was er
    zur Schau stellt, ist eine regelrechte Sentenzenwut, ein
    furor sententialis (und somit eine wohltuende

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