Die Bücher und das Paradies
sie.
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Jeder verheiratete Mann ist attraktiv, außer für seine eigene Frau, und oft, wie man hört, sogar für sie.
Dandytum ist auf seine Weise ein Versuch, die absolute
Modernität der Schönheit zu verfechten.
Dandytum ist auf seine Weise ein Versuch, die absolute
Inaktualität der Schönheit zu verfechten.
Die Konversation müßte alles streifen, ohne sich je auf etwas zu konzentrieren.
Die Konversation dürfte nichts streifen, um sich auf alles zu konzentrieren.
Ich liebe es, über nichts zu sprechen. Es ist das einzige, worüber ich alles weiß.
Ich liebe es, über alles zu sprechen. Es ist das einzige, worüber ich nichts weiß.
Nur die großen Meister des Stils verstehen es, klar zu sein.
Nur die großen Meister des Stils verstehen es, dunkel zu sein.
Jeder kann teilhaben an der Geschichte. Nur ein großer Mann
kann sie schreiben.
Jeder kann Geschichte schreiben. Nur ein großer Mann kann an ihr teilhaben.
Die Engländer haben mit den Amerikanern alles gemeinsam
außer der Sprache.
Die Engländer haben mit den Amerikanern nichts gemeinsam
außer der Sprache.
Nur die Modernen werden überholt.
Nur die Überholten werden modern.
Müßten wir hier unser Urteil über Wilde fällen, würde es
ziemlich streng ausfallen. Als höchste Inkarnation des
Dandytums, aber im Rückstand hinter Lord Brummel und
sogar hinter seinem geliebten Des Esseintes, kümmert er
sich nicht um die Unterscheidung zwischen Paradoxen als
Trägern zugespitzter Wahrheiten, Aphorismen als Trägern
akzeptabler Wahrheiten und kanzerisierbaren Aphorismen
als bloß geistreichen Spielereien ohne Wahrheitsanspruch.
Im übrigen würde sein Verhalten durch seine Vor-
stellungen von der Kunst autorisiert, dürfte es doch ihnen
zufolge bei einem Aphorismus niemals um Nützlichkeit,
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Wahrheit oder Moralität gehen, sondern stets nur um
stilistische Schönheit und Eleganz.
Allerdings würde sein Bemühen um ästhetische
Provokation und Stil nicht genügen, um Oscar Wilde
freizusprechen, da es ihm nicht gelang, zwischen der
echten Provokation durch das Paradox und der bloß
oberflächlichen Provokation zu unterscheiden. Doch be-
kanntlich hätte er, wäre es nach seinen Prinzipien ge-
gangen, nicht ins Gefängnis gesteckt werden dürfen, weil
er Lord Douglas liebte, sondern weil er ihm Briefe wie
diesen geschrieben hatte: »Es ist ein Wunder, daß deine
rosenroten Lippen nicht minder für die Musik des Ge-
sanges als für die Tollheit der Küsse gemacht sind« – und
nicht nur deshalb, sondern weil er während des Prozesses
auch noch behauptet hatte, dieser Brief sei eine Stilübung
und eine Art Sonett in Prosa gewesen.
Das Bildnis des Dorian Gray wurde von den Londoner
Richtern aus absolut törichten Gründen verurteilt, aber
unter dem Gesichtspunkt der literarischen Originalität ist
es bei allem Zauber, den es hat, nur eine Imitation von
Balzacs Chagrinleder und eine weitgehende (auch indirekt eingestandene) Kopie von Huysmans’ Gegen den Strich .
Mario Praz hat darauf hingewiesen, daß der Dorian Gray
fast ebensoviel dem Monsieur de Phocas von Jean Lorrain verdankt, und sogar eine der Grundmaximen des Ästheten
Wilde (»Kein Verbrechen ist vulgär, aber Vulgarität ist ein
Verbrechen«) ist eine Übernahme von Baudelaires »Ein
Dandy kann niemals ein vulgärer Mensch sein: Wenn er
ein Delikt beginge, würde er nichts von seiner Reputation
verlieren; wenn aber diesem Delikt ein banales Motiv
unterläge, dann wäre die Schande irreparabel«.
Gleichwohl ist es mühsam, wie Alex Falzon in der
erwähnten italienischen Aphorismen-Ausgabe schreibt,
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die Aphorismen eines Autors zu sammeln, der nie ein
eigenes Aphorismenbuch geschrieben hat – denn die Sätze
und Sprüche, die wir als solche betrachten, sind ja nicht
isoliert entstanden, um außerhalb jedes Kontexts zu glän-
zen, sondern in narrativen oder szenischen Umgebungen
und folglich als Aussprüche von bestimmten Personen
unter bestimmten Umständen. Kann man zum Beispiel
einen Aphorismus als schwach bezeichnen, den der Autor
einer bewußt als seicht dargestellten Figur in den Mund
legt? Ist es ein Aphorismus, wenn Lady Bracknell in The
Importance of Being Earnest zu Algernon sagt: »Den
Vater oder die Mutter zu verlieren kann als bedauerlicher
Unglücksfall gelten. Beide zu verlieren, grenzt schon an
Schlamperei«? Daher der begründete Verdacht, daß Wilde
an keinen seiner Aphorismen glaubte und nicht einmal
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