Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
den Bogen von der Schulter. «Ihr werdet vor mir in der Hölle sein», rief sie Roubert zu.
Der Dominikaner beachtete sie nicht, sondern sprach weiter mit Thomas. «Sie ist eine Kreatur des Teufels, Engländer, und sie hat dich verhext.» Die Stute tänzelte nervös, und er schlug ihr gereizt auf den Hals. «Die Kirche hat ihr Urteil gefällt, und du musst dich ihm beugen.»
«Ich habe mein eigenes Urteil gefällt», entgegnete Thomas.
Vater Roubert erhob die Stimme, damit die Männer hinter Thomas ihn hören konnten. «Sie ist eine Begine!», rief er. «Eine Ketzerin! Sie ist exkommuniziert, ausgestoßen aus Gottes geweihter Gemeinschaft, und damit dem Untergang geweiht! Sie ist verloren, und ebenso jeder, der ihr hilft! Habt ihr gehört? Gottes Vertreter auf Erden spricht zu euch, und eure unsterblichen Seelen sind ihretwegen in höchster Gefahr.» Er sah Geneviève an und konnte sich ein hämisches Lächeln nicht verkneifen. «Du wirst sterben, du Teufelsbrut. Die irdischen Flammen werden dich in die ewigen Feuer der Hölle führen.»
Geneviève hob ihren Bogen und spannte die Sehne. «Nicht», sagte Thomas zu ihr.
«Er hat mich gefoltert.» Tränen liefen ihr über die Wangen.
Verächtlich sah Vater Roubert auf ihren Bogen hinunter. «Du bist eine Hure des Teufels», sagte er. «Würmer werden in deinem Leib hausen, aus deinen Brüsten wird Eiter fließen, und die Dämonen werden sich an dir vergnügen.»
Da ließ Geneviève die Sehne los.
Es war ein unkontrollierter, ungezielter Schuss. Bebend vor Zorn hatte sie die Sehne gespannt, und ihre Augen waren so mit Tränen gefüllt, dass sie Vater Roubert kaum sah. Beim Üben waren ihre Pfeile meist weit am Ziel vorbeigeflogen, doch im letzten Moment, gerade als sie losließ, versuchte Thomas, ihren Arm wegzustoßen, und der Pfeil zuckte, als er von der Sehne sprang. Vater Roubert holte Luft, um sich über ihren Spielzeugbogen lustig zu machen, doch bevor er einen Ton sagen konnte, fraß sich der breite, mit Widerhaken versehene Pfeil in seinen Hals. Das hervorspritzende Blut färbte die weißen Federn rot und tropfte am Schaft herunter. Einen Herzschlag lang blieb der Dominikaner im Sattel sitzen, einen Ausdruck fassungslosen Staunens im Gesicht, dann spritzte eine zweite Blutfontäne aus seinem Hals, und er fiel mit einem gurgelnden Laut zu Boden.
Als Thomas bei Roubert ankam, war er bereits tot.
«Ich hab doch gesagt, er wird vor mir in der Hölle sein», stieß Geneviève aus und spuckte auf den Toten.
Thomas bekreuzigte sich.
Nach dem leichten Sieg hätte eigentlich Freude herrschen müssen, doch alsbald lastete wieder die alte, düstere Stimmung über der Garnison von Castillon d’Arbizon. Das Gefecht war gut verlaufen, aber der Tod des Dominikaners hatte in Thomas’ Männern Furcht gesät. Die meisten von ihnen waren unverbesserliche Sünder, manche hatten auch Geistliche getötet, aber sie waren abergläubisch und hielten den Tod des Mönchs für ein böses Omen. Vater Roubert war unbewaffnet zu ihnen gekommen, um zu verhandeln, und abgeschossen worden wie ein Hund. Ein paar Männer zollten Geneviève Beifall. Sie war eine richtige Frau, sagten sie, eine Soldatenfrau, und soweit es sie betraf, konnte die Kirche zur Hölle fahren. Aber diese Männer waren eine kleine Minderheit. Fast allen klangen noch die letzten Worte des Dominikaners im Ohr. Er hatte ihnen mit ewiger Verdammnis gedroht, weil sie eine Ketzerin beschützten, und das verstärkte noch die Ängste, die sie plagten, seitdem Thomas Geneviève vor dem Scheiterhaufen bewahrt hatte. Robbie fing immer wieder von diesem Thema an, und als Thomas ihn schließlich gereizt fragte, wann er nach Bologna zu reiten gedenke, wich Robbie einer Antwort aus. «Ich bleibe hier», sagte er, «bis ich mein Lösegeld habe. Ich verzichte doch nicht auf unser goldenes Kalb.» Er deutete mit dem Daumen auf Joscelyn. Dem jungen Gascogner war die Missstimmung in der Garnison nicht entgangen, und er bemühte sich nach Kräften, sie zu verstärken, indem er Übles prophezeite für den Fall, dass die Begine nicht verbrannt wurde, und sich weigerte, am gleichen Tisch zu essen wie Geneviève. Als Edelmann stand ihm die beste Behandlung zu, die die Umstände ermöglichten, und er schlief in einer eigenen Kammer oben im Turm, aber statt in dem großen Saal zu essen, zog er es vor, seine Mahlzeiten gemeinsam mit Robbie und den Soldaten einzunehmen. Er unterhielt sie mit Geschichten von seinen großen Turnieren und
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