Die Bücher von Umber: Drachenspiele
zitterte, und Fay strich ihr über die Haare.
»Was wissen Sie über dieses Schiff, Fay?«, fragte Umber.
»Es ist die Shark . Ein Segelschiff, und zwar ein schnelles. Dort können bis zu zwei- oder dreihundert Männer an Bord sein, Soldaten und Seemänner.«
Ein Segelschiff, dachte Hap. Er spürte eine Brise auf seinem Gesicht. Sie kam von hinten und straffte die Segel der Shark .
Die Shark änderte plötzlich ihren Kurs und die Bogenschützen versammelten sich entlang der Reling. Hap hob erneut das Fernglas und erblickte ein wesentlich kleineres Schiff im Wasser, direkt vor der Shark . Es war das Boot mit Tolliver und den Häftlingen. Die Laterne auf dem kleinen Boot musste im Dunkeln Magadors Aufmerksamkeit erregt haben. Die Häftlinge ruderten wie wild und versuchten der Shark auszuweichen, die direkt auf sie zuhielt, doch sie waren nicht schnell genug. Die Shark zerquetschte das Boot unter ihrem riesigen Rumpf, während Tolliver und die anderen ins Wasser sprangen. Im Vorbeifahren lieÃen die Bogenschützen Dutzende von Pfeilen ins Wasser prasseln. Dann drehte die Shark wieder bei und segelte weiter in ihre Richtung. Hap senkte den Kopf und hätte fast laut aufgeschrien.
»Was passiert da drauÃen?«, fragte Umber und beugte sich näher an ihn heran.
»Tollivers Boot«, flüsterte Hap, damit nur Umber es hören konnte. »Magador hat es gerammt.« Umber schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
»Sie haben uns gesehen, oder?«, fragte Oates.
Umber rieb sich mit der Hand über den Mund. »Es ist noch ziemlich dunkel. Löscht alle Laternen. Sag das auch den Leuten unten, Oates, vor allem in der Kajüte im Heck. Und frag die Ruderer, ob sie das Tempo noch steigern können.«
Hap starrte auf das Schiff in der Ferne. Er weiÃ, wer auf diesem Schiff ist , dachte er. Und natürlich hat er uns gesehen. Er steuert ja direkt auf uns zu.
Fay biss sich auf die Unterlippe. »Wir hätten wissen müssen, dass es so kommt. Magador hat sein Königreich verloren. Jetzt gibt es nur noch eins für ihn. Und das ist Rache.«
Hap hörte, dass die Trommel unten schneller schlug; ihr Rhythmus stimmte exakt mit dem seines Herzens überein.
»Sie da am Steuer, Mister«, rief Umber. »Wie ist noch mal Ihr Name?«
»Barber«, erwiderte der Mann. Er war einer der befreiten Sklaven, ein ehemaliger Seemann, der von den anderen ausgewählt worden war, um das Schiff zu steuern.
»Barber, ich glaube, wir sollten in südliche Richtung abdrehen â dieser Wind begünstigt unsere Verfolger.«
Barber nickte und drehte das Steuerrad nach rechts.
Hap behielt die Shark im Blick, um zu sehen, ob auch sie den Kurs änderte. Ihm lief ein Schauer über die Arme. Einen Moment lang dachte er, der kühle Wind sei der Grund. Doch als die Kälte wieder verschwand und von einem plötzlichen Fieber gefolgt wurde, das sich in seinen Augen konzentrierte, wusste er, dass er gleich wieder die Lichtfäden sehen würde.
Diesmal waren es viele und sie gingen alle von den Menschen um ihn herum aus: Umber, Oates, Barber, Sable und Fay. Ein weiteres dichtes Bündel dieser Erscheinungen kam aus dem schmalen Bug des Schiffes. Ein Faden für jede Person da unten, dachte Hap. Sie glitten durch die Luft wie Schlangen und weiter übers Meer, bis sie flüchtig das Wasser berührten. Diesen Weg werden wir nehmen. Das wird unser Schicksal sein.
Er hörte Sables Stimme. »Seht mal, seine Augen!« Fay brachte sie zum Schweigen.
Hap ignorierte sie. Das Atmen fiel ihm schwer. Jeder einzelne dieser Fäden sah grau und farblos aus. Er trat zwischen sie, führte seine Hand durch die mysteriösen Lichterscheinungen und lauschte ihrem traurigen Gesang.
»Was macht er, Lord Umber?«, fragte Fay. Umber antwortete nicht, doch Hap sah aus dem Augenwinkel, dass er einen Finger an die Lippen legte.
Hap ging zu der Stelle, wo die vielen Lichtfäden sich bündelten. Als er sich mitten in dieses Bündel stellte, sangen die Fäden ihm etwas vor, und zwar klarer und deutlicher als je zuvor. Das Lied war seltsam; es bestand aus einer Vielzahl von Klängen â weit entferntem Glockengeläut, murmelnd über Steine flieÃendem Wasser, nächtlichem Grillenzirpen und anderen Geräuschen, die nicht mit Worten zu beschreiben waren.
Die Lichtfäden gaben nicht ihre volle Bedeutung preis. Ich bin noch
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