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Die Buecherfluesterin

Die Buecherfluesterin

Titel: Die Buecherfluesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anjali Banerjee
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Haus der Tante erreiche, bin ich dem Erfrieren nah.
    Drinnen im Haus ist es still und warm. Der würzige Duft von chai weht in den Flur hinaus und mischt sich mit dem üblichen Geruch nach Staub und Mottenkugeln. Ich zittere, und mir klappern die Zähne. » Tante, hallo! Hilfe!«
    Meine Tante hastet herbei. Sie trägt ein neues Ensemble in Farben, die nicht zusammenpassen– einen blauen Sari und einen violett gestreiften Pulli. » Bippy, bist du ins Meer gefallen?«
    » Fast.« Ich lege meine technischen Geräte im Salon ab. » Meine Füße sind abgestorben.«
    » Komm, wir stecken deine Sachen in den Trockner und stellen die Schuhe vor die Heizung. Ich leihe dir eine Hose von mir.« Sie geht mit mir ins Wäschezimmer neben dem Büro, reicht mir ein Handtuch und läuft los.
    Nachdem ich die nassen Jeans, die Unterhose und die Socken ausgezogen und alles in den Trockner gestopft habe, wickle ich mir ein Handtuch um die Taille. Was nun? Hier stehe ich, halb nackt, ohne Mobilfunk-Empfang und ohne Aussichten auf ein glückliches Leben.
    Meine Tante kehrt mit einer schlabberigen Polyesterhose mit Gummizug in der Taille, orangefarbenen Socken und Plüschpantoffeln in Häschenform zurück. Die Pantoffeln haben sogar Ohren, die aus beiden Füßen wachsen. Ein Glück, dass sie mich wenigstens mit ihren Schlüpfern verschont. Hoffentlich trocknen meine Jeans in Rekordzeit.
    » Jetzt hast du es schön warm.« Grinsend macht sie einen Schritt rückwärts. » Du könntest diese Sachen doch zu Gitas Hochzeit tragen!«
    » Also hat Ma es dir erzählt.«
    » Sie hat mich heute in aller Früh angerufen. Eine wundervolle Nachricht!«
    » Die beste, die ich seit Jahren gehört habe.«
    Die Tante tätschelt meine Schulter. » Zieh nicht so ein langes Gesicht. Du darfst nicht aufhören, an die Liebe zu glauben.«
    Sie schaut auf die Uhr. » Ich muss oben noch einiges packen, bevor der Laden aufmacht.«
    » Die Tür ist bereits offen.«
    » Für Frühaufsteher, die vor der Arbeit einen Tee oder Kaffee trinken möchten.« Sie steuert auf die Treppe zu.
    » Also hast du praktisch schon geöffnet?«
    » Oh, irgendwie, aber nicht richtig. Gleich bin ich fertig und komme dann wieder runter.«
    » Und wann zeigst du mir…?«
    » Später. Fühl dich wie zu Hause.«
    Sie verschwindet. Gut, dann lass mich eben einfach stehen.
    Ich mache mich auf den Weg in den Salon, um meine Gerätschaften zu holen, und stoße beinahe mit… Connor Hunt zusammen.
    Mein Gesicht läuft rot an, und mein Blick wandert nach unten zur violetten Schlabberhose und den riesigen Häschenpantoffeln. Wie ist er bloß reingekommen? Natürlich durch die Tür. Aber ich habe ihn nicht gesehen. Er hat hier nichts zu suchen. Besitzt er eigentlich auch noch andere Klamotten als die Cargohose, die Kapuzenjacke und die Wanderstiefel? Ist er berufstätig oder verbringt er sein Leben lesend in staubigen alten Buchläden? » Was machen Sie hier, Mr. Hunt?«
    » Ich recherchiere.« Er stellt ein Buch zurück in das Regal mit der Aufschrift » Humor. Neuerscheinungen«: 101 Verwendungsmöglichkeiten für einen alten Traktor.
    » Haben Sie denn einen alten Traktor?« Am liebsten würde ich mich hinter einem Bücherregal verstecken. Hoffentlich merkt er nicht, wie nervös ich bin.
    » Eigentlich nicht.« Schmunzelnd mustert er Hose und Häschenpantoffeln. » Aber der Titel klingt… interessant.«
    » Ein seltsames Buch. Das hier ebenfalls.« Ich greife nach Durch Europa mit dem Känguru. » Wer würde denn so reisen?«
    » Ein abenteuerlustiger Mensch?«
    Er grinst. » Allerdings ist diese Familie mit dem Wohnmobil gefahren.«
    » Falsche Werbung.« Auf dem Regal kippt mit einem dumpfen Geräusch ein Buch um. Ich nehme es zur Hand : Der kühne Umgang mit Bananen von Crescent Books. » Schauen Sie sich dieses Bild an. Da kann man die Lust auf Bananen verlieren. Sind sie geschnitten oder glasiert? Und was sind das für rote Dinger? Wer kauft nur solche Bücher?«
    Connor betrachtet eingehend den Umschlag. » Jemand, der impulsiv ist und gern ausgetretene Pfade verlässt?«
    Ich stelle das Buch zurück ins Regal. » Ein Buchladen ist ein Geschäftsbetrieb. Meine Tante sollte sich mehr um ihre Gewinne kümmern als darum, ausgetretene Pfade zu verlassen.«
    » Tut man das beim Lesen nicht immer?« Wieder fixiert er mich mit einem Blick.
    » Klar, wenn man die Zeit dafür hat…«
    » Ist das alles, was Ihnen dazu einfällt? Haben Sie kein Interesse an ungewöhnlichen Buchtiteln? Das ist

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