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Die Buecherfluesterin

Die Buecherfluesterin

Titel: Die Buecherfluesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anjali Banerjee
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nämlich das Thema meiner Recherche.«
    » Ich bin sicher, dass meine Tante in den anderen Zimmern noch viel mehr davon stehen hat. Sie recherchieren aber ziemlich früh.«
    Er sieht auf die Uhr, einen alten silbernen Chronographen mit Lederarmband. » Ist es gesetzlich verboten, einen geöffneten Laden zu betreten?«
    » Ich bin nicht sicher, ob der Laden wirklich geöffnet ist.«
    » Ich komme gern, bevor die Horden hier einfallen.«
    Welche Horden? » Nun«, seufze ich. » Dann gehe ich mal meine Tante suchen.«
    » Moment, nicht so eilig. Sie sind ja ziemlich schnell im Korbgeben.« Als er mich am Arm berührt, schießt mir ein seltsamer Stromstoß durch den Körper.
    Erschrocken mache ich mich los. » Ich muss arbeiten. Und außerdem weiß ich rein gar nichts über Sie.«
    » Ich bin Arzt. Vor einigen Jahren habe ich auf der Insel gewohnt. Seitdem bin ich viel gereist, und nun bin ich auf einen Besuch zurückgekommen. Ich überlege, ob ich mich wieder hier niederlassen soll. Was möchten Sie sonst noch erfahren?« Sein Blick wandert über die Häschenpantoffeln und die violette Hose hinauf zu meinem schwarzen Rollkragenpullover. Ich fühle mich, als wäre es ihm durch irgendeinen Zaubertrick gelungen, mir alle Kleider auszuziehen.
    » Sie sind also Arzt?«, frage ich verärgert. » Welches Fachgebiet?«
    » Innere Medizin. Und Sie? Was machen Sie beruflich?«
    Meine Finger tauen allmählich auf. Ich muss mir Handschuhe kaufen. » Ich bin Anlageberaterin.«
    Ich kann seinen Augenausdruck nicht deuten– abschätzend, hungrig, kritisch? » Sie sehen gar nicht so aus.«
    » Und Sie sehen nicht aus wie ein Arzt.«
    » Normalerweise ziehe ich mich nicht so an.«
    » Ich mich auch nicht. Ich hatte auf dem Weg hierher einen Zusammenstoß mit einer aufmüpfigen Welle.«
    » Freut mich, dass Sie es überlebt haben.«
    Ich betrachte die orangefarbenen Socken meiner Tante und die Hasenöhrchen. » Keine Ahnung, wie lange meine Tante diese Pantoffeln schon hat. Vermutlich sind sie besser als Pumps. Bequemer.«
    » Das gefällt mir hier so gut«, antwortet Connor. » Es gibt keine Pumps. Die ganze Insel ist pumpsfreie Zone. Wahrscheinlich haben wir diesen Zustand dem hiesigen Mangel an Schuhgeschäften zu verdanken. Er schreckt die Leute davon ab, hierherzuziehen. Das ist wenigstens meine Theorie.«
    » Meinen Ex würde es ganz sicher abschrecken.«
    Eine Augenbraue hebt sich. Wieder der durchdringende Blick. Der Blick eines Arztes. Ich frage mich, ob er das Pulsieren an meinem Hals bemerkt. » Ihr Ex interessiert sich für Schuhe?«
    » Er hatte eine ganze Sammlung. Armani, Rockport, Ferragamo. Ein Schuhfetischist.« Ich erzähle Connor Hunt eindeutig zu viel.
    » Also sind Sie jetzt Single und alle Schuhe los. Gehen Sie mit mir einen Kaffee trinken.«
    » Sind wir schon wieder bei diesem Thema. Ich habe einen Buchladen zu leiten.«
    » Und Sie verabreden sich nicht, weil ihr Ex ein mieser Dreckskerl ist und Sie sich deshalb nie wieder verlieben können.«
    » Sie müssen Gedankenleser sein.« Ich starre auf das Bananenbuch. » Aber das spielt keine Rolle. Ich beabsichtige, ab jetzt allein zu bleiben.«
    » Aber ich sehe Ihnen an, dass Sie im Herzen Optimistin sind.«
    » Ich weiß, Sie meinen es gut, Dr. Hunt…«
    » Nennen Sie mich Connor.«
    » Connor. Ich habe eine Menge mitgemacht und möchte in diesem Laden zur Ruhe kommen.« Meine Stimme ist eine bebende Saite. Ich will mich mit niemandem verabreden. Ich bin noch nicht so weit.
    » Ich bezweifle, dass es hier ruhig sein wird«, wendet er ein.
    » Bis jetzt war es so.«
    » Sie sind am Abend angekommen. Ich wette, dann ist weniger los, weil die Leute zum Abendessen nach Hause gehen.«
    Mein Herz setzt ein paar Schläge aus. » Tony und ich schaffen das schon.«
    » Sie könnten eine Pause machen.«
    » Ganz schön hartnäckig.«
    Er grinst. » Ich gebe mich nur ungern geschlagen.«
    » Es war nett, Sie wiederzusehen«, entgegne ich so gleichmütig wie möglich. » Aber es tut mir wirklich leid. Ich kann derzeit mit niemandem ausgehen. Hoffentlich haben Sie Verständnis dafür.« Als ich den Raum in Richtung Flur durchquere, fangen die Bücher an zu fallen.

Kapitel 8

    D
as Bananenbuch ist wieder umgekippt und hat dadurch, vergleichbar mit Dominosteinen, eine Lawine abstürzender Bände ausgelöst. Ein gebundenes Buch landet zu meinen Füßen. Gedichte von Emily Dickinson, aufgeschlagen bei einer vielsagenden Seite: Herz, wir werden ihn vergessen, Du und ich, heute

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