Die Buecherfluesterin
weine nicht. Meine Aufgabe war es, dir zu helfen. Meine letzte Aufgabe auf Erden.«
Ich presse die Wange an seine Brust. » Ich will nicht, dass du gehst. Bitte verlass mich nicht.«
» Ich kann nicht bleiben. Ich wäre nichts als ein Irrlicht, das für immer durch diesen Buchladen geistert.«
» Und wenn ich deine Memoiren einstecke? Dann kannst du mich wieder begleiten…«
» Das geschieht nur ein einziges Mal an einem einzigen Tag.«
» Bitte nicht. Ich liebe dich, Connor. Ich habe dich schon immer geliebt.«
» Ich liebe dich auch«, erwidert er langsam, » in jedem hellen und dunklen Moment und mit jedem Funkeln der Sterne. Ich liebe dich, wenn du schläfst und wenn du morgens aufwachst. Ich liebe dich immer.«
» Dann bleib!« Ich umarme ihn fest. Ich zittere am ganzen Leibe. Wenn ich ihn nicht loslasse, kann er nicht verschwinden.
» Ich habe keine andere Wahl«, antwortet er sanft. » Danke, dass du es mir ermöglicht hast, noch ein letztes Mal die Sonne im Gesicht und den Wind auf dieser Insel zu spüren und das Wunder des Lebens zu schmecken, das ich verloren habe. Und die Liebe.«
» Connor, nein.« Aber ich muss ihn freigeben. Er ist zwischen zwei Welten gefangen.
» Du brauchst mich nicht mehr. Du bist stark, so viel stärker, als du selbst glaubst. Jetzt wirst du es schaffen. Wende dich nicht ab vom Glück. Wage den Sprung.«
» Du bist mein Glück.«
» Und du meines.« Er weicht zurück und legt mir die Hände auf die Schultern. Doch sie werden bereits leichter.
Kapitel 38
S
chade, dass ich ihn nicht gesehen habe«, sagt Tony, während wir die Regale und Fensterbretter abwischen, Flächen, die auf geheimnisvolle Weise immer wieder staubig werden. » Nicht zu fassen, dass dieser tolle Mann die ganze Zeit über hier war. Beobachtet er uns noch?«
» Ich hab es dir doch erklärt«, erwidere ich. » Jetzt nicht mehr.«
» Ich kapiere es immer noch nicht. Du hast mit einem Geist geschlafen.«
Ich nicke lächelnd, erinnere mich an die Freude und die vertrauten Momente, die Connor und ich gemeinsam genossen haben, und hoffe, dass er im Jenseits weiter davon zehrt.
In den letzten Tagen bin ich bei jedem Knarzen des Fußbodens zusammengezuckt, herumgewirbelt, wenn ich einen Atemzug auf der Schulter gespürt und ins Nebenzimmer gelaufen, wenn ich eine Stimme gehört habe. Aber Connor ist fort.
» Ich hätte nie gedacht, dass so etwas geht«, spricht Tony weiter. » Ich meine, hat er es wirklich gebracht?«
» Natürlich.«
» Also, was genau hat er denn gemacht?«
» Das überlasse ich deiner Phantasie. Mehr verrate ich dir nicht, und wenn du mir ein Loch in den Bauch fragst.«
Tony verdreht die Augen. » Du bist grausam.«
» Er konnte alles, was ein lebendiger Mensch auch kann.« Ich schließe die Augen und hoffe auf einen Hauch von Connor, einen Hinweis darauf, dass er zurückgekehrt ist. Doch sein Geruch existiert nur noch in meiner Erinnerung und ist für immer verschwunden. Der Laden riecht nur nach Büchern, Staub, Papier und Holz.
» Du strahlst ja förmlich, Mädchen. Und deine Haare glänzen. Und schau dir den Laden an. Deine Tante wird stolz auf dich sein.«
Im Laden wimmelt es von Kunden. Vielleicht gefallen ihnen ja die neuen Lampen und die luftige und doch gemütliche Atmosphäre. Ich habe die Möbel umgestellt, damit die Räume größer wirken. Draußen scheint eine spätherbstliche Sonne. Ich hatte ganz vergessen, wie sehr ich früher das getüpfelte Sonnenlicht und das Rauschen der Erlenblätter geliebt habe.
» Jasmine, da sind Sie ja.« Lucia Peleran kommt hereingehastet. Sie trägt etwas Weißes, das mich an einen Astronautenanzug erinnert, und sieht aus, als würde sie jeden Moment abheben. » Ich habe tolle neue Zukunftspläne. Können wir es noch einmal versuchen? Ich hatte den Eindruck, als ob Sie beinahe das richtige Kochbuch für mich gefunden hätten.«
» Riechen Sie das auch?«, frage ich und drehe mich um die eigene Achse. Um mich herum wächst plötzlich ein imaginärer Obsthain, ein lichtdurchfluteter, von Mandarinen und Orangen strotzender Blätterwald.
Lucia starrt mich mit leicht offenem Mund an. » Was? Staub? Hier im Laden war es schon immer staubig.«
» Kein Staub«, entgegne ich. » Zitrusfrüchte. Ein süßer, frischer Duft.«
» Ich rieche nichts.« Sie schnuppert und macht ein sehnsüchtiges Gesicht.
» Hören Sie auf Jasmine«, rät Tony. » Sie weiß, wovon sie redet.«
Ich greife nach Kochen mit Pfiff von Julia Child. » Das hier
Weitere Kostenlose Bücher