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Die Büro-Alltags-Bibel

Die Büro-Alltags-Bibel

Titel: Die Büro-Alltags-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Mai
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Skelettmuskulatur und die inneren Organe umgelenkt. In erster Linie eine reine Schutzfunktion: So droht man bei leichten Verletzungen nicht zu verbluten. Nebeneffekt: Hände und Füße werden kalt, das Gesicht blass. Dafür wird der Körper optimal auf Kampf oder Flucht vorbereitet.
Das Hormon Vasopressin wiederum sorgt in der Niere dafür, dass weniger Flüssigkeit ausgeschieden wird. Eine volle Blase würde bei Angriff oder Flucht auch nur behindern.
Die Körpertemperatur steigt bei einigen von durchschnittlich 36,5 Grad auf 37 Grad. Damit wir nicht überhitzen, werden gleichzeitig die Schweißdrüsen angeregt. Deshalb schwitzen so viele unter Stress – auch wenn sie sich körperlich gar nicht anstrengen.
Parallel wird nun eine weitere Stresshormon-Achse aktiviert, die allerdings im Vergleich zum sympathischen Nervensystem etwas zeitverzögert auf Stress reagiert. Im Hypothalamus, einer Region im Zwischenhirn, wird der Botenstoff CRH (
Corticotropin-Releasing-Hormon
) ausgeschüttet. Das CRH stimuliert die Hirnanhangdrüse (
Hypophyse
), das Hormonzentrum desKörpers. Diese gibt nun das Hormon ACTH (
Adrenocorticotropes Hormon
) ins Blut. Über das Blut gelangt das ACTH zur Nebenniere und veranlasst dort die Ausschüttung des Hormons Kortisol. Das mobilisiert die Glucose- und Fettreserven. Gleichzeitig senkt es die Schmerzempfindlichkeit und kann das Immunsystem unterdrücken. Wird die Nebenniere über längere Zeit durch ACTH stimuliert, kann sie sich sogar vergrößern, wodurch die Kortisolproduktion zwar immens gesteigert wird, der Prozess sich allerdings auch verselbstständigen kann. Der Körper schaltet dann auf Daueralarm. Spätestens dann macht Stress krank.
Erst wenn die Gefahr gebannt ist, ergreift der Körper Gegenmaßnahmen, um wieder zur Ruhe zurückzufinden: Die Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin werden so schnell wie möglich wieder abgebaut. Das Kortisol selbst hemmt dann sogar seine eigene Ausschüttung. Über eine negative Rückkopplung dämmt es zudem die weitere Produktion von CRH und ACTH ein. Der extreme Leistungsschub fährt langsam wieder herunter. Wir reagieren wieder normal.
    Alle diese Funktionen laufen bei uns völlig automatisch ab und es entstehen dadurch auch keinerlei körperliche Schäden. Stress ist ein natürlicher Vorgang, den wir sogar erleben, wenn wir uns freuen, küssen oder leidenschaftlichen Sex haben. Auf jeden dieser Reize reagiert unser Gehirn affektiv mit Gedanken und Gefühlen, die es binnen Sekunden bewertet. Je nachdem, wie das Urteil ausfällt, werden daraufhin mehr oder weniger Botenstoffe ausgeschüttet – das funktioniert ähnlich wie bei einem Gaspedal. Problematisch wird es erst, wenn sich diese Stresshormonfunktionen verselbstständigen. Wer einen solchen Zustand erreicht, verlernt regelrecht zu entspannen. Auch Sie haben sicher schon ein paar Mal beobachtet, dass Gestresste zur Muße kaum noch fähig sind. Schuld ist eine Art Rückkopplungseffekt zwischen Stress und Aggression: Ein hoher Kortisollevel macht aggressiv. Das so stimulierte Aggressionszentrum wiederum regt die Hormonproduktion an – eine sich selbst verstärkende Stressspirale entsteht. Sie erklärt auch, warum so viele nur schwer wieder zu beruhigen sind, wenn sie erst einmal in Rage geraten.
    Hans Selye, einer der Urväter der Stressforschung, unterschied deshalb zwischen dem
Eustress
mit all seinen positiven und leistungssteigernden Effekten und dem
Distress
. Bei Letzterem werden Adrenalin und Kortisol nicht schnell genug abgebaut und der Körper reagiert mit Bluthochdruck, Magen-Darm-Störungen oder Tinnitus. Den zweiten Negativeffekt von chronischem Stress bemerkt man selbst jedoch kaum: Die Denkleistung sinkt. In unserem Gehirn sind verschiedene Verknüpfungsmuster gespeichert. Die einfachen, lebensrettenden im unteren Hirnstamm, die komplexeren – wie Empathie, Analysefähigkeit, Improvisationstalent – weiter oben, im Frontalhirn. Unter Stress gerät das Oberstübchen zu stark in Unruhe, sodass der obere Bereich, bildhaft gesprochen, wegen Überhitzung geschlossen wird. Folge: Das Gehirn verkürzt drastisch die Informationsmenge, die es verarbeiten muss, und greift stattdessen auf bewährte Urprogramme zurück: Flucht, Angriff, Erstarrung. Amerikanische Polizisten, die in Schießereien verwickelt wurden, beschrieben anschließend jedes Mal dieselben Symptome: extreme visuelle Klarheit, begleitet von Tunnelblick, gedämpften Geräuschen sowie dem Eindruck, die Zeit würde

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