Die Büro-Alltags-Bibel
Stifte zum Beispiel. Die gehören in die unmittelbare Nähe des Arbeitsplatzes, am besten in Griffweite. Andere Dinge können dafür im Umfeld platziert werden. So werden auch die Arbeitsabläufe schneller. Aber nur, wenn Sie auch den dritten Tipp beherzigen: reduzieren. Wie viele Stifte liegen in Ihrer Schublade? Wie viele zusätzlich auf dem Tisch? Und wie viele davon benutzen Sie regelmäßig? Eben. Stifte, die nicht mehr schreiben, gehören in den Mülleimer. Ansonsten reichen in der Regel ein Bleistift, ein Kuli, ein Fineliner und vielleicht noch ein paar Textmarker. Den Rest können Sie zurück ins Sekretariat oder Depot bringen – oder wegschmeißen. Die Kunst, Ordnung zu halten, besteht im Wesentlichen darin, sich von Überflüssigem zu trennen – und zwar bevor man den Rest organisiert.
Keine Bange, das wird jetzt kein Ordnungs-Absolutismus, wie ihn uns mancher Werbespruch einbimst: Work smart, work clean. Pedanterie ist nicht gut für Kreativität. Und Papierstapel können gelegentlich der Humus für allerlei Innovationen sein. Die These lässt sich wissenschaftlich stützen: Ein ordentlicher Schreibtisch sei zwar gut für das Image – zu viel Ordnung aber blockiere, schreibt zum Beispiel Eric Abrahamson, Professor an der New Yorker Columbia-Universität. Übermäßige Ordnungsliebe könne sogar Unfälle verursachen, findet wiederum der Kölner Psychologe Stephan Grünewald. So sind etwa Autofahrer, die sich besonders streng an die Verkehrsregeln halten, auffällig häufig in Crashs verwickelt, fand er in einer Untersuchung für den DeutschenVerkehrssicherheitsrat heraus. Begründung: Prinzipienreiter sind untrainiert, spontan zu reagieren. Einige Psychologen schließen daraus, dass jeder Mensch dann am effektivsten arbeitet, wenn er seinen individuellen Chaoslevel findet. Sie raten, sich im Alltag bewusst limitierte Oasen der Konfusion zu schaffen, weil diese den Ordnungsstress mindern und den Bürobewohnern zugleich Struktur geben – wenn auch eine höchst individuelle.
Der U S-Forscher Alan Hedge von der Cornell-Universität hat herausgefunden, dass Mitarbeiter in einem warmen Büro deutlich mehr schaffen als in einem kalten. Dazu ließ er die Angestellten einer Versicherung in Florida bei 20 Grad arbeiten. Die Assekuranzler malochten 54 Prozent ihrer Zeit und hatten eine Fehlerquote von 25 Prozent. Dann drehte Hedge die Heizung auf 25 Grad. Prompt schufteten die Leute nahezu 100 Prozent und machten auch nur noch 10 Prozent Fehler. Allerdings muss man einräumen: In Florida ist es auch sonst wärmer als hierzulande. Für deutsche Büros schreibt die Arbeitsstättenverordnung mindestens 20 Grad vor.
Nur allzu groß sollten diese Chaosecken nicht werden, sonst riskieren Sie den
Broken-Windows-Effekt
. Den hat der Niederländer Kees Keizer zusammen mit Kollegen von der Universität von Groningen nachgewiesen. Grob gesagt bedeutet dieser Effekt: Wenn in einer Straße nur ein Haus mit ein paar zerborstenen Fensterscheiben steht, dann dauert es nicht lange, bis der ganze Wohnblock verfällt. In einem seiner beeindruckendsten Versuche packte Keizer eine Fünf-Euro-Note in ein Briefkuvert – jedoch so, dass diese sichtbar blieb. Das Kuvert steckte er anschließend ebenso sichtbar in einen Briefkasten. Was passierte, war äußerst unterschiedlich: War der Briefkasten mit Graffiti beschmiert, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass der Brief geklaut wurde, auf 27 Prozent; war er von Müll umgeben, lag das Diebstahlrisiko immer noch bei 25 Prozent. Anders aber, wenn die Umgebung picobello aussah: Dann bekamen nur 13 Prozent der Passanten lange Finger. Die holländischen Wissenschaftler schlossen aus ihren Untersuchungen in erster Linie, dass sich unsoziales Verhalten offenbar selbst verstärkt: Fängt einer damit an, ohne dass das Folgen hat, dann erodieren sehr bald auch die Sozialmanieren der Nachbarn. Der Effekt lässt sich auch im Büro beobachten. Ich bin sicher, Sie erleben den Broken-Windows-Effekt regelmäßig in der Kaffeeküche. Sobald einer damit anfängt, seine schmuddelige Kaffeetasse nicht mehr direkt in die Spülmaschine zu stellen, sondern obendrauf, gesellen sich bald darauf weitere Tassen dazu – bis die komplette Spüle vor versifften Bechern, bekleckerten Tellern und besudeltem Besteck überquillt. Auf dem Schreibtisch läuft das nicht anders – auch wenn für dessen Zustand nur Sie selbst verantwortlich sind. Zwei ungespülte Tassen, ein paar unsortierte Zeitungsausrisse, Memos mit
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