Die Büro-Alltags-Bibel
Konferenzen beiwohnt, stellt zudem fest, dass dort auf zwei Ebenen kommuniziert wird. An der Oberfläche geht es um die Sache, die Tabellenkalkulationen, um Ideen, Innovationen, Informationen. Das klingt hoch professionell. Aber unter diesem Zuckerguss aus Freundlichkeit und Profession geht es ebenso um Selbstdarstellung, Konkurrenz und Karrieren. Und das ist irgendwie infantil. Alle wissen, dass sie sich kooperativ zeigen müssen. Sie wissen aber auch, dass wer sich geschickt inszeniert, eigene Ideen gut präsentiert, Rückfragen und rhetorische Spitzen pariert, Moderationsstärke und Kritikfähigkeit demonstriert, wichtige Pluspunkte beim Team und beim Chef sammelt. Die Lust auf echtes Teamspiel ist also ziemlich begrenzt.Schon deshalb sind Konferenzen ein wunderbarer Weg, großartige Ideen – speziell von anderen – vorzeitig zu beerdigen. Strategie eins: »Es ist zu einfach, um wahr zu sein.« Strategie zwei: »Es funktioniert sowieso nicht.« Diese Strategie existiert auch in Form des Allzwecksatzes, der von jeglicher Denkanstrengung entbindet:
Hamwerschonimmersogemacht
. Schließlich Strategie drei: »Es gibt bestimmt noch eine Alternative.« Die gibt es zwar immer. Aber mit der Suche danach lassen sich Euphoriker prima mürbe und Engagierte müde machen. »Ach, Sie hatten eine Idee? Schade.« Annahme verweigert. Return to sender. Statt mehrmaligen Heureka-Erlebnissen kommt dann das heraus: nichts.
Kein Wunder also, dass selbst 30 Prozent der Manager inzwischen eine Gelaber-Intoleranz entwickeln und Meetings für unproduktiv bis überflüssig halten, so eine Umfrage unter 800 leitenden Angestellten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Aber auch das wiederholt sich in den alltäglichen Sitzungsrunden: Die Teilnehmer erscheinen unvorbereitet, wissen nicht, was auf der Agenda steht oder was genau sie gleich erarbeiten sollen und driften deshalb ständig ab. Zudem bleiben Zuständigkeiten oft unklar: Soll die Gruppe nur Material sammeln oder umsetzen? Hat sie ein Vorschlagsrecht? Oder gar eine Entscheidungsbefugnis? Nicht selten ist das Team schon mit der Definition seiner Aufgabe so sehr beschäftigt, dass für die Aufgabe selbst kaum noch Zeit bleibt. Als die Kieler Managementberaterin Angelika Behnert einmal die Sinnhaftigkeit solcher Meetings untersuchte, stellte sie ernüchtert fest: Bis zu 30 Prozent davon kann man sich getrost schenken. Der Chef hat in diesen Fällen schon vorher eine Entscheidung getroffen und spielt allenfalls noch Demokratie und Brainstorming. Große Oper!
Was die Sitzordnung über die Kollegen verrät
Welche subtilen Botschaften und tiefere Symbolik solchen Konferenzen zum Teil innewohnen, versuchen Wissenschaftler, allen voran Psychologen und Verhaltensforscher, schon seit Jahren zu dekodieren. Herausgekommen ist dabei allerlei Heiteres, Nachdenkliches und Nützliches. Aber auch viel Falsches. So dachte man etwa bisher, der Stammplatz, also jener Ort, den wir im Meeting immer wieder gerne einnehmen, markiere vor allem eine Art Territorium, das sich jemand mit wachsender Betriebszugehörigkeit erkämpft und nun besetzt hält. Falsch. Heute weiß man: Der Sitzplatz am Konferenztisch markiert vielmehr unseren Rang und die Rolle, die wir in der Gruppe einnehmen (wollen). Die U S-Psychologin Sharon Livingston hat die Geheimnisse der Konferenzrituale intensiv ergründet und dazu mehr als 40 000 Arbeitnehmer und Vorgesetzte interviewt, beobachtet und analysiert. Ihrer Theorie zufolge bestimmen insbesondere sieben Typen die Alltagskonferenzen – angefangen vom Chef über den hartnäckigen Widersacher bis hin zum eifrigen Zustimmer. Warum es ausgerechnet sieben Typen sind? Keine Ahnung. Vielleicht hängt es mit dem
Blue-Seven-Phänomen
zusammen: Die meisten Menschen lieben die Farbe Blau, Sieben ist eine globale Lieblingszahl. Vielleicht prägen sich aber auch exakt so viele Archetypen einfach besser ein. Wenn Sie das nächste Mal zu einer Besprechung pilgern, achten Sie einmal darauf, wer sich wo hinsetzt und wie er sich dabei verhält. Livingston zufolge sind folgende Plätze verräterisch:
Das Kopfende. Hier pflegen die Chefs Platz zu nehmen – insbesondere, wenn Sie dabei die Wand im Rücken und die Tür im Blick haben. Notorische Zuspätkommer werden so sofort entlarvt, heimliche Davonschleicher aber auch. Umgekehrt ist der Platz mit dem Rücken zur Tür der statusniedrigste Ort. Wer dort sitzt, wird bei fehlenden Unterlagen gerne gebeten, sie mal eben zu holen. Ein
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