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Die Büro-Alltags-Bibel

Die Büro-Alltags-Bibel

Titel: Die Büro-Alltags-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Mai
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Eselsohren und ein angeknabbertes Brötchen genügen, und binnen Tagen verwandelt sich die Arbeitsplatte in ein Kunstwerk von Beuys’schem Ausmaß. Dann vielleicht doch lieber eine verborgene Krimskrams-Schublade?

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    9.00 Uhr
Klasse, Konferenz …
    Was in Meetings tatsächlich passiert ■ Was die Sitzordnung über die Kollegen verrät ■ So werden die täglichen Konferenzen besser (erträglich) ■ Tipps für produktive Videokonferenzen

    »Wenn zwei Menschen
    immer die gleiche Meinung haben,
    ist einer von ihnen überflüssig.«
    Winston Churchill
    Es ist schon seltsam: Bei einem Meeting scheint die Meinungsvielfalt im Büro regelmäßig abzunehmen. Eben noch strotzten die Kollegen vor Eloquenz und dezidierten An- und Einsichten, jetzt sitzen sie stumm da, wortlos, einsilbig, maulfaul. Vor allem wenn sie glauben, in der Minderheit zu sein. Der Boss dominiert die Runde. Und irgendwie sieht es so aus, als wären sich längst alle einig, also hält jeder die Klappe. Bloß nicht anecken! Bloß nicht auffallen, schon gar nicht negativ – als Abweichler und Querulant! Stimmt ja auch, Minderheiten werden tatsächlich mitunter für ihre divergenten Standpunkte bestraft, mindestens mit bösen Blicken oder Kopfschütteln. Darin liegt allerdings auch – und zwar gar nicht so selten – ein gewaltiger Denkfehler. Denn ob die anderen anderer Meinung sind, wissen wir ja erst dann, wenn sie diese öffentlich äußern. Ganz häufig interpretieren wir Schweigen fälschlicherweise als Zustimmung, mit dem Effekt, dass im Extrem alle schweigen und glauben, jeder sei dafür, während in Wahrheit alle das Gegenteil wollen. In Fachkreisen heißt dieses Phänomen auch
Abilene-Paradoxon
. Es besagt, dass manche Entscheidungen nur so aussehen, als würden sie auf einem Konsens basieren, stattdessen aber allein auf falsche Wahrnehmungen zurückzuführen sind.
    Entdeckt hat das Paradox Jerry Harvey, ein Professor an der George-Washington-Universität. Der brach im Jahr 1974 zu einer Reise mit seiner Frau und ihren Eltern in seine Heimatstadt Abilene (USA) auf – und zwar nur, weil jemand im Familienkreis den Trip vorgeschlagen hatte, in der Annahme, dass die anderen etwas Abwechslung bräuchten. Spontan willigte jeder ein, weil alle glaubten, die Familienmitglieder seien für die Reise. Bei der völlig entnervten Rückkehr aber stellte sich heraus: Eigentlich wären alle lieber zu Hause geblieben. Harvey übertrug diese leidvolle Erfahrung später auf typisches Missmanagement und Abstimmungsverhalten in Organisationen, insbesondere in Meetings. Jim Westphal, sein Kollege an der Universität von Michigan, konnte wenig später nachweisen, dass dieses Paradoxon selbst auf höchster Ebene, etwa in einem Direktoren-Board, vorherrscht. Dazu sammelte er Daten aus mehr als 228 solcher Runden mit dem Ergebnis: Ganz oft widersprechen die Manager der einmal gewählten Strategie und einander nicht mehr, obwohl sie längst starke Zweifel an der Richtigkeit dieser Wahl haben. Ein klassischer Fall des ebenso gängigen Prinzips TINA: T here I s N o A lternative. Das klingt harmlos, die Folgen aber sind es nicht: Die Unternehmen fallen im Wettbewerb zurück, machen Murks oder scheitern gar. Trotzdem hält die Führungsriege weiterhin an ihrer Strategie fest, weil noch immer alle davon überzeugt sind, die anderen würden das auch tun. Beängstigend, nicht wahr?
    Überhaupt sind Meetings Brutstätten allerlei denkwürdiger psychosozialer Gruppenphänomene. Nicht wenige Menschen verbringen die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Konferenzräumen, diskutieren dort Wenn und Aber, grübeln über Szenarien, malen auf Flipcharts und ziehen sich eine um die andere Powerpointfolie rein – und mögen doch nicht recht zugeben, was sie längst spüren. Dass nämlich solche Zusammenkünfte zuweilen nichts weiter sind als ein enges Korsett. Es sind Marktplätze der Eitelkeiten – mit hohen Risiken und Nebenwirkungen. Die dort versammelten Mitarbeiter berauschen sich an der fortwährenden Kakophonie der Gedanken, inhalieren sich selbst und mühen sich darum, möglichst viel knappe Redezeit und Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen – sei es durch geschicktes Phrasendreschen, hochspuriges Zahlenzitieren oder schlichtes Namedropping, mit wem man neulich erst wieder essen war. Und selbst wenn schon alles gesagt wurde, dann eben noch nicht von allen, weshalb die dominanten Beiträge stets dieselben zwei bleiben: Zustimmung und Wiederholung.
    Wer häufiger solchen

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