Die Büro-Alltags-Bibel
sollen.
Sie haben Angst, etwas zu versäumen. Eigentlich müsste die Tabellenkalkulation dringend fertig werden – trotzdem geht man mit den Kollegen Kicker spielen. Und natürlich wird auch die Einladung zum Feierabendbier nicht abgesagt, obwohl der Körper längst bedrohlichen Schlafmangel signalisiert. Hauptsache mittendrin, immer dabei und bloß kein Spalter sein. Riesenfehler! Auch hier werden Sie vermutlich manipuliert. Die Kollegen gaukeln Ihnen vor, hier und jetzt eine einmalige Chance zu bekommen – wie bei einem Sonderangebot. Dabei können Sie mit der Gruppe doch sicher auch ein andermal einen Kaffee trinken? Wohl wahr: Sich abzusondern, schadet der Karriere. Aber das tut schlechte Arbeit auch. Wer alles schleifen lässt, damit er ja nichts verpasst, offenbart vielmehr dreierlei: latente Einsamkeit, gepaart mit hoher Abhängigkeit von der Meinung anderer, sowie die Schwäche, keine Prioritäten setzen zu können. Hand aufs Herz: Einmal oder zweimal nicht dabei zu sein, ist doch keine Schande?
Sie fürchten negative Folgen. Gerade wenn der Chef hinter der Bitte steht, wäre es gefährlich, dessen Wunsch zu ignorieren. Frustrierte Vorgesetzte können nachtragend sein oder wegen Insubordination abmahnen. Dennoch sollten auch Chefs lernen, wann Schluss ist. In diesem Fall hilft meist, sie auf mögliche Konsequenzen ihrer Forderungen hinzuweisen: »Wenn ich das jetzt auch noch übernehme, muss Projekt X zwei Wochen warten.« Dazu aber später noch mehr.
Sie fühlen sich verantwortlich. Und zwar für die Bürostimmung im Allgemeinen und das Bedürfnis des Kollegen nach Entlastungund persönlichem Glück im Besonderen. Der Arme: Schon seit fünf Wochen sitzt er an dem Projekt, heute Nachmittag muss er es präsentieren – und was er hat, ist alles andere als spruchreif. Es ist zwar nobel, dem Tropf jetzt unter die Arme zu greifen. Er hätte Sie aber auch einfach eher bitten können. Oder ist das vielleicht seine spezielle Masche, immer auf den letzten Drücker zu fragen, damit keiner die Hilfe ablehnen kann? Überhaupt: Hat er Ihnen eigentlich auch schon mal geholfen? Oder würde er dasselbe tun, wenn Sie einen Gefallen benötigen? Nicht, dass man im Büro immer alles verrechnen sollte. Aber einem Trödler vom Stamme Nimm muss man auch nicht jedes Mal in den Sattel helfen.
Sie vergleichen sich. Jeder Mensch hat ein anderes Arbeitspensum. Wer sich jedoch häufig mit Besseren vergleicht, erliegt bald der Illusion, Gleiches schaffen zu müssen. Zusatzaufgaben sind dann wie ein Leistungsdarlehen, das man abbezahlt. Sicher, Sie sollen und wollen das Beste aus sich herausholen, aber doch bitte nicht das Beste Ihrer Kollegen dazu. Nichts versetzt Menschen mehr in Stress als der Versuch, ständig den Ansprüchen anderer zu genügen.
Um aus solchen Denk- und Tretmühlen herauszufinden, hilft nur eines: Gewinnen Sie zu sich selbst und dem Anliegen Abstand und entlarven Sie mögliche Fallen, die Sie sich selbst oder die Ihnen die lieben Kollegen stellen. Auch wenn es zum Leben gehört, hin und wieder eigene Interessen zurückzustecken – an manchen Stellen muss man beherzt Nein sagen. Alles andere führt nur dazu, dass wertvolle Zeit verloren geht und Kräfte zerstreut werden, die dann für die eigene Arbeit fehlen. In der Folge nimmt die Arbeitsbelastung zu, vielleicht sogar der Ärger darüber, nachgegeben zu haben. Und spätestens wenn Jasager ihre Projekte nur noch mittelmäßig bis mangelhaft abschließen, nutzt ihnen alle Kollegialität nichts mehr: Der Ruf ist ramponiert, sie gelten als unfokussiert, unorganisiert, unfähig. Unnötig!
Der zweite Schritt, nachdem Sie Ihre Motive hinterfragt haben, ist, die negativen Konsequenzen Ihrer Ablehnung einzuschätzen – und zwar realistisch. Dazu gehört, dass Sie genau verstanden haben, was der Kollege eigentlich von Ihnen will oder welche Resultate ererwartet. Möchte er nur eine kurzeitige Zulieferung? Oder die Aufgabe vollständig delegieren? Fragen Sie im Zweifel ruhig noch einmal nach. Vielleicht ist die Bitte ja auch gar nichts Großes, klang aber so. Andernfalls: Jede Entscheidung hat einen Preis, den man sich bewusst machen sollte. Wie viel Zeit kostet das? Was wären die Folgen? Was ist dadurch zu gewinnen? Ist es das wert? Wer bittet mich da eigentlich um etwas? Hat derjenige mich schon einmal ausgenutzt? Auch Ihre Kraft ist nicht endlos, und auch Sie haben Bedürfnisse – weniger Stress, mehr Spaß am Job, Anerkennung für gute Arbeit. Das ist nicht weniger
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