Die Büro-Alltags-Bibel
für Aufsehen. Wissenschaftler um Verhaltensforscher Brad Gilbreath fanden heraus: Jeder zweite Befragte hat ein gestörtes Verhältnis zu seinem Chef. Eine Gallup-Untersuchung aus demselben Jahr zeigt: Das schlechte Verhältnis von Mitarbeiter und Chef ist der häufigste Grund dafür, dass Mitarbeiter kündigen.
Als die Berliner Psychologen und Buchautoren Jürgen Hesse und Hans-Christian Schrader (
Die Neurosen der Chefs
) vor einiger Zeit wiederum über 400 Führungskräfte untersuchten, um etwas über deren psychische Konstitution zu erfahren, machten sie eine beängstigende Entdeckung: 60 Prozent ihrer Probanden wiesen eine leichte bis mittelschwere Neurose auf, ein Prozent davon stuften sie gar als schwere Neurotiker ein, also Menschen mit einer krankhaften Verhaltensanomalie, die sich etwa durch ein starkes Geltungsbedürfnis bei gleichzeitigen Minderwertigkeitsgefühlen und ausgeprägter Egozentrik äußert. Mal ehrlich: Würden Sie einem solchen Menschen gerne die Verantwortung über Tausende Mitarbeiter und Millionenbudgets übertragen?
Wohl kaum. Dennoch geschieht es. Das erklärt dann zwar solch evolutionäre Phänomene wie innere Kündigung oder Belegschaftenam Rande des Nervenzusammenbruchs, jedoch nicht, weshalb Chefs anscheinend zwangsläufig im Laufe ihrer Karriere immer weniger mit ihren Mitarbeitern können und gleichzeitig zu Neurotikern mutieren.
Es gibt jedoch ein paar Theorien dazu. Die einen sehen den Fehler etwa im System selbst. Je weiter einer aufsteigt, desto mehr ist er von Menschen umgeben, die von ihm und seiner Gunst abhängig sind. Solche Manager bekommen deshalb irgendwann kaum noch ein aufrichtiges Feedback, sondern allenfalls ein indirektes, politisch korrigiertes. Selbst auf der Ebene der Manager geht es ganz oft um Konkurrenz statt um Kooperation. Kumuliert erleben diese Führungskräfte also eine Art Isolation durch vorauseilenden Gehorsam und strategische Kommunikation. So entsteht ein gefährliches Klima aus Vorsicht, Misstrauen und latenter Feindseligkeit.
Einen weiteren Grund vermuten Psychologen in einem unerfüllten Bedürfnis aus der Kindheit. So glaubt zum Beispiel der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter belegen zu können, dass fiese Chefs früher häufig unbeliebte und unglückliche Kinder waren. Das einstige Ohnmachts-Trauma, sich unter Gleichrangigen nicht behaupten zu können, werde später zu ihrem Hauptmotor, um nach einer Führungsposition zu streben. Denn da müssten nun die anderen kuschen.
Wer seine Mitarbeiter tyrannisiert sowie in Angst und Schrecken versetzt, macht Karriere. Das wollen Anthony Don Erickson, Ben Shaw und Zha Agabe von der australischen Bond-Universität herausgefunden haben. Demnach beobachteten 64,2 Prozent der von ihnen Befragten, dass fiesen Chefs nicht nur nichts passiere – sie profitierten sogar von ihrem Verhalten.
Es ist allerdings auch so, dass die Macht selbst korrumpiert. Sie kennen doch sicher das Sprichwort
Gib einem Menschen Macht, und du erkennst seinen wahren Charakter
? Dazu gibt es eine interessante Untersuchung von Deborah Gruenfeld von der Stanford-Universität. Sie fand heraus, dass drei Dinge passieren, wenn Menschen einflussreicher werden: Sie fokussieren sich a) mehr auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse; sie kümmern sich b) weniger um die Bedürfnisse ihrer Untergebenen und sie halten sich c) immer weniger an die Regeln, deren Einhaltung sie aber von allen anderen erwarten. Sobald diese Menschen Macht bekommen, fangen sie an, später zu Meetings zuerscheinen, andere zu unterbrechen und bei Tisch laut zu schmatzen. Ich könnte mir vorstellen, Sie sehen da gerade jemanden vor Ihrem geistigen Auge …
Die Autorin des Bestsellers
Rache am Chef
, Susanne Reinker, sieht denn auch den Hauptgrund des alltäglichen Dauerzwists in der Beförderungspraxis. Wider besseres Wissen stiegen Mitarbeiter in erster Linie aufgrund besonderer fachlicher Leistungen oder als Belohnung auf, nicht aber aufgrund ausgewiesener »Sozialkompetenz«, erklärte sie mir. Die werde zwar theoretisch besungen, spiele tatsächlich aber nur eine untergeordnete Rolle: »Wer Wurst machen will, muss dafür den Nachweis einer entsprechenden Ausbildung erbringen, wer in die Luft geht und dabei ein tonnenschweres Flugzeug steuert, wird vorher geschult, selbst wer sich mit Byzantinistik beschäftigt, hat vermutlich dafür irgendwann irgendein Zertifikat erworben. Nur wer andere Menschen führt, braucht so was nicht«, sagt Reinker. So
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