Die Büro-Alltags-Bibel
vorwurfsvollen Blick des verkannten Visionärs. Wie lange, glauben Sie, geht das gut? Eine Woche? Zwei? Über kurz oder lang wird die Luft trotzdem zum Schneiden sein und die wahren Leistungsträger werden sich mindestens innerlich verabschieden.
Jede Führungskraft, aber auch die Mitarbeiter, sollten sich klarmachen, dass Chefs nun mal nicht dafür bezahlt werden, einen Sympathiewettbewerb zu gewinnen. Natürlich sind gegenseitige Achtung und Ehrlichkeit Voraussetzung für den Job. Die Kollegen sollten ihren Chef jederzeit respektieren und schätzen können. Aber das tun sie auch an jenen Tagen, an denen er ihre Leistung ehrlich bewertet. Wenn die Kollegen grundsätzlich spüren, dass ihr Chef das aus Verantwortungsgefühl heraus und dem aufrichtigen Wunsch, sie zu fördern, tut, dann wird der Ärger gering ausfallen und schnell verraucht sein. Die Leistungen werden sich nachhaltig verbessern – und nicht zuletzt wird auch der Chef an dieser Auseinandersetzung gewachsen sein.
Mir ist natürlich klar, dass das den Idealzustand beschreibt. Und weil der sich in der Regel so rar macht wie ein Lottogewinn inklusive Jackpot, folgen nun noch ein paar sachdienliche Hinweise zur ordnungsgemäßen Abrichtung der Aufsichtsbeamten.
So dressieren Sie Ihren Boss
Wie bringt man einen weißen Tiger dazu, durch einen brennenden Reifen zu springen? Oder einen Affen dazu, Einrad zu fahren? Und wie schafft es ein Beluga-Wal, mit einem Wasserstrahl eine Kerze auszuschießen? Offen gestanden, ich weiß es nicht. Aber ich bindavon überzeugt, es ist eine Frage des Trainings, der Motivation und der Ausdauer. Man könnte auch sagen, es ist eine Frage der richtigen Dressur.
Amy Sutherland ist eine erfahrene Tiertrainerin, eine besonders erfolgreiche noch dazu, wie ich in der
Fast Company
las. Eines Tages kam die Autorin des Buchs
What Shamu Taught Me About Life, Love, and Marriage
(deutscher Titel:
Die Männerbändigerin
) allerdings auf die kühne Idee, ob sich ihre Erkenntnisse über das Drillen wilder Tiere nicht vielleicht ebenso auf die Dressur eines Ehemanns übertragen ließen, womöglich sogar des eigenen. Bevor Sie jetzt an eine lederbeschurzte Amazone mit Zuckerbrot und Peitsche denken: Sie ließen sich übertragen, aber anders. Und es braucht nicht viel Phantasie, um sich auszurechnen, dass diese Methoden genauso auf den Bürodschungel anwendbar sind wie auf das wildeste Tier im Busch: den Boss. Ja, tatsächlich, auch Chefs lassen sich dressieren. Sie springen danach vielleicht nicht durch brennende Reifen, radeln auch nicht hupend über Büroflure und spucken keine Kerzen aus. Aber sie zeigen hernach womöglich ein Verhalten, das Ihren Vorstellungen eher entspricht als deren ursprünglichen Instinkten.
Sutherlands Ansatz unterscheidet sich allerdings grundlegend von der klassischen
How-to-manage-your-boss -Lektüre
. Beim »Management von unten« geht es üblicherweise darum, die Dinge zunächst aus der Chefperspektive zu sehen, dessen Erwartungen zu verstehen, um sie anschließend durch Kommunikationskunststückchen mit den eigenen Vorstellungen in Einklang zu bringen. Kurz: Es geht dabei um subtiles Manipulieren. Das funktioniert, keine Frage. In der Regel aber nur bei Managern, die zwar Macken haben, aber auch zur Selbstkritik fähig und obendrein lernbereit sind. Bei allen anderen, die eine erkennbare Ratgeberresistenz beweisen, läuft jeder Versuch in diese Richtung zwangsläufig ins Leere. Sutherlands Managerdressur setzt deshalb auf klassische Konditionierung. Ihr Motto dazu lautet jedoch: Das Tier hat niemals Schuld – es ist immer der Fehler des Dompteurs. Soll heißen: Jedes kleinste Fehlverhalten Ihrerseits konditioniert Ihren Boss. Angenommen, Ihr Chef gibt Ihnen regelmäßig unklare Anweisungen, weil er vielleicht ein Bauchmensch ist, impulsiv entscheidet und keine Pläne mag, dann passiert Folgendes: Jedes Mal, wennSie das stillschweigend hinnehmen und ausgleichen, bringen Sie ihm bei:
Ich bin ein guter Entscheider, denn am Ende kommt stets etwas Gutes dabei heraus.
Und falls Ihr Boss ständig zotige oder gar frauenfeindliche Kalauer reißt und Sie dazu grinsen, bestätigen Sie ihn nur in seiner Meinung a) lustig zu sein und b) beliebt.
Rein zu Reflexionszwecken und nur geringfügig rhetorisch motiviert stellen Sie sich bitte jetzt die Gegenfrage: Was würden Sie mit Ihrem Hund machen, der regelmäßig Ihre Puschen in Shish Kebab verwandelt? Würden Sie erst dazu lachen, um anschließend Bellos Erwartungen
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