Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby

Titel: Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
Vom Netzwerk:
Lewicki nacheinander Dana Jean und Waymire hinunterlassen, und sie konnte sie hineinziehen. Am Gürtel oder mit einem improvisierten Geschirr aus Nylonstrümpfen.
    Sie eilte zur Anrichte. Dort fand sie - dem Gott des Chaos sei Dank - ein dickes schwarzes Fernsehkabel, das um eine Holzspule gewunden war.
    Sie wuchtete die Spule heraus. Sie brauchte ungefähr dreißig Meter Kabel. Wenn sie es im dritten Stock nicht ins Fenster schaffte, musste sie weiter an der Hauswand nach unten klettern, deswegen wollte sie so viel Seil wie nur möglich. Oder Kabel.
    Der lange Lauf einer automatischen Waffe quetschte sich durch den Türspalt und fuhr mit fast obszönen Bewegungen auf und ab.
    Die Anrichte war aus einem einzigen, kunstvoll geschnitzten Stück Holz gestaltet, bestimmt eine alte, vom Aussterben bedrohte Baumart. Ihre Füße waren acht Zentimeter dick. Das ganze Ding wog mit Sicherheit zwei Zentner. Jo band das Kabel um die Füße des Möbels und warf die Spule zum Fenster hinaus. Nachdem es hinter dem Fensterbrett verschwunden
war, prallte das sich entrollende Kabel mit einem dumpfen Klatschen wie von einer Peitsche gegen die Hausmauer.
    Jo winkte Lewicki. »Kommen Sie.«
    Er kroch herüber. Sie wand ihm das Kabelende um den Rücken. Dann forderte sie ihn auf, die Hände auszubreiten und das Kabel an zwei Punkten zu fassen.
    »Stemmen Sie sich mit den Füßen gegen die Wand unter dem Fenster. Lehnen Sie sich zurück, um das Kabel festzuhalten.«
    Falls die Füße der Anrichte von ihrem Gewicht abgerissen wurden und sich das Kabel löste, musste er verhindern, dass sie in die Tiefe stürzte.
    »Was haben Sie vor?«
    »Dülfersitz.« Ihre Kehle war völlig ausgetrocknet.
    Sie hatte den Dülfersitz, bei dem das Seil ohne Sicherung zwischen den Beinen und über die Schulter verlief, noch nie an einem echten Hang erprobt. Nur in einer Kletterhalle, wenige Meter über der Matte. Diese Technik wurde fast nicht mehr angewandt, stattdessen benutzte man, wofür sie in diesem Moment ihre Schneidezähne hergegeben hätte: Hüftgurt, Abseilhilfe und Karabiner. Und auch in den Tagen des klassischen Alpinismus hatte sich niemand je mit einem TV-Kabel abgeseilt.
    »Das müsste klappen. Glaube ich.« Zischend atmete sie ein. »Nach dem Fensterbrett muss ich ungefähr zwei Meter runter, dann kann ich mich im nächsten Stock in die Laibung einspreizen.«
    Lewicki beugte sich über das Fensterbrett. »Sie werden abstürzen.«

    »Nein.«
    Ihr Schutzengel ließ ihr einen Gruß zukommen. Viel Glück damit, aber das musst du allein regeln.
    Hinter ihr donnerten wütende Fußtritte gegen die Tür. »Gebt ihn raus, ihr Scheißer, sonst kommt ihr als Erste vor das Exekutionskommando der Patrioten.«
    Jo musterte Lewicki. »Haben Sie sich bei der Armee mal im Dülfersitz abgeseilt?«
    »Ja, aber ist schon zwanzig Jahre her.«
    »Gut.« Sie drückte ihm den Arm. »Bitte lassen Sie nicht los.«
    »Auf keinen Fall.« Er wirkte todernst.
    Ein Schuss hallte durch den Raum. Er schlug in den Konferenztisch, und Holzsplitter spritzten in alle Richtungen.
    Lewicki zuckte zusammen. »Beeilen Sie sich.«
    Jo streifte ihre Schuhe ab und erklomm das Fensterbrett. Sie wurde vom Wind erfasst. Eigentlich hätten der blaue Himmel und die glänzenden Häuserschluchten sie in Hochstimmung versetzen müssen. Wann bekam eine passionierte Bergsteigerin schon mal die Gelegenheit, einen städtischen Monolithen zu bezwingen? Aber sie hatte sich noch nie so schutzlos gefühlt. Im Zimmer stemmte sich Lewicki mit den Beinen gegen die Wand und lehnte sich zurück, bereit, ihr Gewicht zu halten.
    Jo rief Dana Jean an. »Sehen Sie gut zu. Sie sind die Nächste.«
    »Okay.« Dann zog sich Dana Jeans Gesicht zusammen. »Nein.«
    Jos Magen verkrampfte sich. Dana Jean hatte keine Ahnung vom Abseilen, und es blieb keine Zeit, es ihr beizubringen.
»Schnallen Sie sich Ihren Gürtel um Hüften und Kabel. Dann finden wir schon einen Weg, Sie runterzulassen.« Dann wandte sie sich an Lewicki. »Binden Sie sie erst ans Kabel, wenn ich Ihnen sage, dass ich sicheren Stand habe und sie auffangen kann.«
    Jo kroch unter dem offenen Aufziehfenster durch und stellte sich auf das äußere Fensterbrett. Behutsam drehte sie sich zum Zimmer. Sie ließ die Füße auseinandergleiten und spreizte sie auf beiden Seiten in die Laibung, um sich abzustützen.
    Unter ihr lief das Kabel aus dem Fenster. Sie nahm es auf und hielt es so, dass es zwischen den Beinen lag. Dann schlang sie es sich von hinten

Weitere Kostenlose Bücher