Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
ihren Weg fort. Zwei Minuten später war er wieder bei ihr und drückte ihr ein billiges Paar Ballettschuhe in die Hand. Sie waren limonengrün mit
orangefarbenen Gänseblümchen aus Plastik. Potthässlich und genial.
Hastig schlüpfte sie hinein. »Danke.«
Über den Kamm des Nob Hill raste ein Streifenwagen mit blinkenden Lichtern direkt auf sie zu. Sie schwenkten in eine Seitengasse. Jo drückte sich an eine Ziegelwand. Das Auto jagte vorbei.
Ächzend rang sie nach Luft. »Die halten mich für eine Mörderin. Und dich halten sie für meinen Komplizen. Gottverdammt.« Ihre Stimme riss. »Wenn sie uns schnappen, werden sie mir die Geschichte niemals glauben, jedenfalls nicht rechtzeitig.«
»Hoffen wir, dass Tang die Meute bändigt. Nur sie kann uns schützen.«
Die Straße war frei. Schwer atmend stürmten sie die Steigung hinauf.
»Jo, wir laufen jetzt auf den Präsidenten zu. Damit machen wir uns doch noch verdächtiger.«
Sie blieb ihm die Antwort schuldig. Oben am Hügel erblickten sie die gotischen Türme und die Fensterrosette der Grace Cathedral.
KAPITEL 58
Der Huntington Park vor der Grace Cathedral war abgeriegelt. Um die Fassade aus grauem Stein waren Barrikaden errichtet worden. Die Polizei überprüfte jeden, der den abgesperrten Bereich betreten wollte. Chennault setzte ein freundliches Gesicht auf und näherte sich dem Kontrollpunkt.
Tausende von Schafen hatten sich eingefunden. Vorn bemerkte er Tische, wo die Gäste, die in die Kirche strebten, Handtaschen und Jacken zur Durchsuchung ablegten. Am oberen Ende der Eingangstreppe inspizierten Geheimdienstleute die Einladungen.
Diese misstrauischen Schwarzhemden, die das Land zum Polizeistaat machten. In ihm brodelte es.
Er musste sich überlegen, wo er zuschlagen sollte. Die Zeit wurde knapp. Bald würde die Nachricht von dem Überfall auf Waymire & Fong den Geheimdienst erreichen, und wenn sie erst erfuhren, dass ein Apparatschik dort gewesen war, würden sie den Präsidenten sofort hinter einem Wall von Waffen aus der Kirche schaffen.
Andächtig und eifrig schob er sich durch die Menge auf die Absperrung zu.
Jo und Gabe erreichten den Platz vor dem Fairmont Hotel. Hinter den Barrikaden um den Huntington Park drängte sich eine dichte Menge. An der Taylor Street jenseits des Parks standen die Tore der Kirche offen. Menschen in düsterer Kleidung stiegen die Stufen zum Eingang hinauf.
Jo und Gabe liefen vorbei an dem schokoladenbraunen Haus des Union Pacific Club an der Sproule Street, auf der eine lange Schlange von TV-Wagen stand. Kameras auf Plattformen zielten über die Wipfel von bonsaiartig gekrümmten Bäumen und Spielplatzgeräten auf die Treppe der Kirche.
Der Himmel war leer. Der Luftraum über San Francisco war gesperrt.
Jo sah zwar keine Scharfschützen auf den Dächern, aber sie waren bestimmt vor Ort. Sicher waren Park und Kirche mit Sprengstoffspürhunden durchkämmt worden. Doch die Sicherheitskräfte sollten sich im Hintergrund halten. Das hier war kein Staatsakt. Der Präsident und die First Lady nahmen als Gäste an einer privaten Trauerfeier teil.
Sie blickte sich um. Tausende von Leuten. »Wie sollen wir da Chennault finden?«
Ihr Telefon klingelte. Es war Tang. »Ich habe eine Warnung nach oben geschickt, aber es wird wahrscheinlich zwei Minuten dauern, bis sie beim Geheimdienst eintrifft. Ich bin einen Block von …«
Die Verbindung riss ab. Jo wollte zurückrufen, bekam aber keinen Empfang.
Sie schüttelte den Kopf. »Unterbricht der Geheimdienst den Handyempfang, wenn der Präsident in der Nähe ist?«
»Sie überwachen alle Anrufe in einem Umkreis von hundert Kilometern«, antwortete Gabe.
»Aber die Funktürme werden nicht abgeschaltet?«
»Nicht dass ich wüsste. Warum?«
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. »Direkt vor dem Angriff auf die Kanzlei sind die Handys ausgefallen. So wie deins gerade.« Sie starrte ihn an. »Er ist da.«
»Komm.« Gabe packte sie an der Hand und zog sie durch die Menge zur Absperrung.
So plötzlich wie ein herabsausender Hammer stand ein Polizist vor ihnen. Er hielt die Dienstwaffe mit beiden Händen und zielte auf Jos Brust. »Stehen bleiben, sofort.«
Der Kontrollpunkt, an dem die geladenen Gäste von den Bullen gefilzt und durch die Absperrung gelassen wurden, war in der Nähe der Kirchentreppe aufgebaut. Chennault kämpfte sich voran. Es war entscheidend, dass er die Kathedrale noch vor Beginn der Trauerfeier betreten konnte. Immer wieder rempelte die
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