Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
hatte. »Darf ich nach Ihrer Beziehung zu Tasia fragen?«
»Deswegen sind Sie doch da.«
»Wie lange waren Sie mit ihr zusammen?«
»Seit Februar. Wir haben uns getroffen, um ›Bull’s-eye‹ zu proben.« Der Blick unter der Krempe seines Cowboyhuts
war hypnotisch. »Ich hab sie wirklich gemocht. Einfach eine tolle Frau.«
Für Jo war nicht zu erkennen, ob seine Worte ehrlich oder nur gut einstudiert waren. »In Tasias Haus habe ich ein Paar Stiefel und eine Gitarre gesehen.«
»Gehören beide mir.«
»Sie haben die Nacht vor dem Konzert mit ihr verbracht?«
»In ihrem Haus, aber sie hat die ganze Nacht gearbeitet, komponiert. Wäre fast geplatzt vor Energie. Sie war schon seit - meine Güte, sie war schon seit vier, fünf Tagen auf den Beinen.«
»Können Sie mir was über ihre Stimmung erzählen?«
»Welche?« Sein kurz aufblitzendes Lächeln hinterließ einen traurigen Nachhall.
»Beginnen Sie mit dem Anfang. Wie war sie, als Sie sie kennengelernt haben?«
»Ein Feuerball. Kontaktfreudig und witzig. Und kreativ. Mein Gott, die Songs sind nur so aus ihr rausgeströmt. Und das Mädel konnte singen.«
»Wann hat sich das geändert?«
Er griff nach seiner Gitarre. »Ungefähr … im April. Wie wenn sie von einer Klippe gefallen wäre. Zuerst dachte ich, dass was passiert ist, irgendein Problem in der Familie. Aber jetzt glaube ich, es war eine depressive Phase.«
»Können Sie den Wandel beschreiben?«
»Wie wenn sie von einer Gewitterwolke verschluckt worden wäre. Einmal haben wir sie im Studio in einem Schrank gefunden. Hat auf dem Boden gesessen und den Kopf in den Händen gewiegt.«
»In einem Schrank?«
»Sie hat gesagt, da kann keiner von ihnen ihr Leben zerstören.«
»Von ihnen?«
»Sie. Die berühmten sie .«
Jo hakte die Hände ineinander. »Hat sie sich näher dazu geäußert?«
»Sie hatte eine ganze Liste, angefangen beim Präsidenten. Er ruiniert das Land. Glaubt nicht an Amerika. Glaubt nicht an die Frauen und Männer, die das Land lieben und ihm treu verbunden sind.«
Er nahm den Hut ab. Seine Haut war wettergegerbt. »Sie hat nie seinen Namen benutzt. Immer nur vom Präsidenten gesprochen. Ist das nicht merkwürdig? Und meinen Sie nicht, dass das eine Projektion war?«
»Inwiefern?«
»Dass er das Land ablehnt, dass er ihm Schaden zufügen will, dass er es nicht liebt, wie es sich gehört - meinen Sie nicht, dass sie eher von sich selbst geredet hat?«
Jo musste ein Lächeln unterdrücken. »Haben Sie schon mal an ein Psychologiestudium gedacht, Mr. Lecroix?«
»Searle, bitte. Alles reine Menschenkenntnis.« Er zupfte eine bluesartige Melodie. »Abgesehen davon habe ich einen Bachelor in Betriebswirtschaft und im Nebenfach Psychologie studiert.«
Jo lehnte sich zurück. »Hat Tasia je damit gedroht, sich was anzutun?«
»Nein.«
»Hat Sie die Möglichkeit erwähnt, dass ihr jemand anders was antun könnte?«
»Der Geheimdienst, der Stabschef des Weißen Hauses,
und dieser Typ mit dem religiösen Plakat auf dem Hollywood Boulevard, von dem sie geglaubt hat, dass er sie in ein staatliches Konzentrationslager stecken will.«
Er stockte und las die Frage in Jos Augen: Warum war er bei Tasia geblieben?
Sein Gesicht erschlaffte. Jo fühlte sich an seinen nackten Schmerz beim Anblick der toten Tasia erinnert.
»Natürlich hab ich mir bei diesem ganzen paranoiden Gerede überlegt, mit ihr Schluss zu machen. Aber ich wusste von ihrer bipolaren Störung. Und vor ungefähr einem Monat hat sich alles verändert.«
»Erzählen Sie mir davon.«
»Sie hatte auf einmal wieder viel mehr Energie. Ich dachte, vielleicht kann sie den Blues abschütteln und wird wieder ganz die Alte.«
Jo wollte ihn nicht darüber aufklären, dass ganz die Alte eine Illusion war. Das stimmungsmäßige Auf und Ab war fester Bestandteil von Tasia McFarlands Persönlichkeit. Was ihr gefehlt hatte, war das mittlere Maß.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Sie hat wieder gesprudelt. Vor Witz gesprüht. Hat sich gefreut, dass ich da war. Wirklich gefreut. Deswegen war ich letzte Nacht auch so müde.«
Meine Güte, entweder war er der verschlossene Typ oder ein altmodischer Gentleman. »Sie hat Sie körperlich gefordert?«
»Tag und Nacht. Zwei-, dreimal am Tag. Zu Hause, im Studio, im Tourbus.« Er schüttelte den Kopf, immer noch voller Verwunderung. »Und eines Tages komme ich heim, und in meiner Einfahrt steht eine brandneue Corvette mit
einer dicken roten Schleife drum. Sie hat den Wagen für
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