Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
Gesprächs mittippte. Aber wahrscheinlich wurde sowieso alles aufgezeichnet und ins NSA-Hauptquartier in Columbia, Maryland, übermittelt. Und von dort vielleicht an einen Spionagesatelliten, der gerade in diesem Moment seine Spiegelaugen auf den Union Square in San Francisco richtete.
»Vielen Dank für Ihren Anruf, Dr. Beckett. Ich stelle Sie jetzt durch.«
Nach mehreren Klicks und längerer Stille wurde wieder abgehoben. Eine forsche Männerstimme mit leichtem Südstaatenakzent nahm die Informationen entgegen, die Jo wiederholte.
»Vielleicht steckt nichts dahinter, aber ich wollte nicht einfach darüber hinweggehen«, schloss Jo.
»Das war ganz richtig so.«
»Gut. Ich nehme an, Sie gehören dem Sicherheitsdienst des Präsidenten an, Special Agent …«
»Zuniga. Ja, Dr. Beckett. Wir sind Ihnen sehr verbunden für Ihre Hilfe.«
Sie verabschiedete sich und betrachtete erneut die Zeitung. In der Halle brodelte Stimmengewirr. Sie wählte erneut, während sie auf das Foto eines Mannes mit rundem Schädel starrte, der sich mit wachen Augen zu Präsident McFarland beugte.
»Büro K.T. Lewicki.«
Wenn sie schon nicht mit dem Präsidenten sprechen konnte, wollte sie sich wenigstens mit seinem Stabschef unterhalten.
Kelvin Tycho Lewicki war als »der Wächter« oder »der Wachhund« bekannt und schon seit langen Jahren mit Robert McFarland befreundet. Als eine Art Türhüter kontrollierte er nicht nur den Terminkalender des Präsidenten, sondern auch den Zugang zum Oval Office und zum Amtsinhaber.
Lewicki hatte zusammen mit Robert McFarland die Highschool besucht. Später gehörte er der in der ersten Liga kämpfenden Ringermannschaft der University of Montana an. Er war für seine siegreichen Kämpfe berühmt, bei denen seine Gegner aufgrund schmerzhafter Verrenkungen aufgeben mussten. In der Folge diente er bei der Armee in Übersee als Lieutenant neben McFarland. Nach zehn Jahren im Repräsentantenhaus wurde er zu McFarlands rechter Hand.
Während McFarland höflich und beherrscht wie Gary Cooper war, war Lewicki geradeheraus, witzig und dafür bekannt, direkt auf die Schwachstelle eines Gegners loszugehen. Jahrelang hatten sie im politischen Wettstreit miteinander gelegen. Im Rennen um das höchste Amt behielt sein Freund die Oberhand, holte ihn dann aber als Stabschef ins Weiße Haus - ein Schachzug, den die Experten als »Einbindung von Rivalen« bezeichneten.
Aber Lewicki war auch Trauzeuge bei der Hochzeit von Robert und Tasia McFarland gewesen. Er hatte sein gesamtes Erwachsenenleben in den Dienst der Öffentlichkeit gestellt. Und er hatte die Menschlichkeit und Verbundenheit bewiesen, Vienna Hicks selbst nach vielen Jahren eine Beileidskarte zu senden.
Ein Mitarbeiter Lewickis war am Apparat. Abermals spulte Jo ihr Anliegen und die alarmierenden Möglichkeiten herunter wie einen Zauberspruch. Von der Titelseite der Zeitung starrte ihr Lewickis Foto entgegen. Er war gebaut wie ein Stahlseil. Sehnig, grauäugig, voll innerer Anspannung, jederzeit bereit, sich auf den Feind zu stürzen.
»Ich verbinde Sie«, sagte der Mitarbeiter.
Es klickte. »K.T. Lewicki. Was kann ich für Sie tun, Dr. Beckett?« Seine Sprechweise war knapp und nasal. Ein Mann, der es gewohnt war, machtvolle Angriffe zu führen - gegen Ringer, Taliban-Festungen oder den Sprecher des Repräsentantenhauses.
Jo sog unwillkürlich die Luft ein. »Danke, dass Sie meinen Anruf entgegennehmen, Mr. Lewicki.«
Ganz ruhig. Das ist deine Chance. Also los.
»Ich arbeite für das SFPD, um die Ursache …«
»… von Tasia McFarlands Tod festzustellen. Ich weiß.«
Peng, als hätte sie ein Baseball am Kopf getroffen. »Mir ist klar, dass meine Frage gewagt ist, aber es ist von großer Bedeutung, dass ich mit Präsident McFarland über den Geisteszustand seiner Exfrau rede.«
»Gewagt? Ich würde eher von draufgängerisch sprechen. Immerhin haben Sie sich an mich gewandt.«
»Sie sind der Wächter.«
»Und in dieser Funktion darf ich meiner Auffassung Ausdruck verleihen, dass die Untersuchung des SFPD zu einem tragischen Unglück bei einem Konzert allmählich zu einer neurotischen Schnüffelei ausartet.«
»Es ist alles andere als geklärt, ob Ms. McFarlands Tod ein Unfall war.«
»Wie auch immer, der Präsident war fünftausend Kilometer entfernt, als es passiert ist.«
»Aber sie hat sich mit ihm getroffen - drei Tage bevor sie mit einer Pistole aus seinem Besitz erschossen wurde.«
Lewicki blieb einen Moment stumm. Jo
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