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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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an.«
    »Sie handeln die Sklavenlöhne aus?«
    »Genau!«, antwortet sie erfreut. »Ein
schmutziger Job, aber jemand muss es tun.«
    »Bei uns gibt’s auch solche Jobs«, bemerkte
ich trocken.
    Tamara blickte sich um, als befürchtete sie, belauscht zu
werden.
    »Stimmt es wirklich«, sagte sie und rückte
näher an mich heran, »dass das Sol-System
anarcho-kommunistisch ist?«
    Ich dachte über diesen ungewohnten Begriff nach.
»Wir sind nicht gezwungen, unsere Arbeitskraft zu
verkaufen, und niemand schreibt uns vor, was wir zu tun und
lassen haben, daher könnte man’s wohl so
nennen.«
    »Wow!«, machte sie; ihre Augen strahlten.
»Allein schon das Wissen, dass es möglich ist,
dass es irgendwo funktioniert, könnte hier schon
einiges verändern.«
    »Dazu kann ich nichts sagen«, erwiderte ich und
verglich im Geiste das, was Abigail und Andrew als bescheidenen
Wohlstand betrachteten, mit den Zuständen, die auf der Erde
zur Revolution geführt hatten. »Das ist nicht
bloß eine Frage der Denkweise…«
    »Hören Sie auf, zu intrigieren, Hunter!«,
sagte eine laute Männerstimme. »Dazu ist später
noch Zeit.«
    Der Mann kam näher und schüttelte mir energisch die
Hand. Sein schwarzes Haar reichte bis zum Kragen seines scharf
geschnittenen Baumwollhemds; dunkelbraune Augen, buschige
schwarze Augenbrauen, faltenlose, sonnengebräunte Haut; und
ein unerschütterliches Selbstvertrauen, wie es in unserer
Gesellschaft für die ›alten Genossen‹ und in
dieser (wie ich ganz richtig vermutete) für die Reichen
typisch war.
    Doch da steckte noch mehr dahinter. Er war unglaublich alt,
einer der ältesten noch lebenden Menschen, doch anders als
sein Zeitgenosse Wilde lebte er noch in seinem
ursprünglichen Körper und war seit über
dreihundertfünfzig Jahren der gleiche Mensch. Wiederum im
Unterschied zu Wilde verfügte er über ein
ausgeprägtes Machtstreben und auch die nötigen
Fähigkeiten, es umzusetzen; der Umgang mit der Macht hatte
ihn stark und erfahren gemacht.
    »Hi, Ellen May«, sagte er. »Ich bin David
Reid. Ich freue mich, Sie endlich kennen zu lernen. Ich hatte
nämlich schon damals von Ihnen gehört, und zwar von
den…« – er lachte – »… von
den Außenweltlern, muss ich leider sagen!«
    »Ihre ehemaligen Kunden lassen Sie
grüßen«, sagte ich reservierter als
beabsichtigt, »und versichern Ihnen, dass sie Ihnen
Ihren… Weggang nicht mehr übel nehmen.«
    »Ach, wirklich?« Er wirkte überrascht und
erfreut. »Also, wie ich schon sagte, dazu kommen wir
später. Das ist ein großartiger Moment.«
    Ich nippte an meinem Drink. »Das sagen alle.«
    Er grinste ungerührt. »Das ist ein ziemliches
Durcheinander, nicht wahr? Ich glaube, für die Begegnung der
Vertreter des Sozialismus und des Anarcho-Kapitalismus hat man
bislang noch kein Protokoll ausgearbeitet. Ihre Genossen an Bord
der Carbon Conscience erzählen den Reportern von
Ihrer Gesellschaft. Faszinierend.«
    »So wird es wohl sein«, erwiderte ich und
bedauerte, dass ich mit Boris und Jaime nicht abgesprochen hatte,
was sie sagen sollten.
    »Ich war früher selbst mal Sozialist, wissen
Sie«, fuhr Reid fort. »Aber das war ein schlechter
Job.« Er grinste Tamara an. »Vielleicht hätte
ich dabei bleiben sollen.«
    Dann sah er mich an und durch mich hindurch, mit einem leeren
Ausdruck in den Augen. Er schüttelte den Kopf und
lächelte wieder.
    »›Längst geschlagene
Schlachten‹«, meinte er. »Wo wir gerade davon
sprechen, Ellen, Dee möchte Ihnen etwas
sagen…«
    Eine Frau kam auf Pfennigabsätzen anmutig auf uns
zugestakst. Sie trug ein kurzes Kleid aus schwarzer Spitze,
darunter langen weißen Crepe de Chine, was hinreißend
aussah. Sie hatte schwarzes Haar, blasse Haut, grüne Augen,
breite Wangenknochen und ein warmes Lächeln.
    »Hi, Ellen«, sagte sie. »Ich bin Dee.
Erfreut, Sie kennen zu lernen.«
    »Hallo«, sagte ich und bemühte mich, nicht
allzu eisig zu klingen.
    »Ich bin Daves Partnerin«, fuhr sie fort.
»Ich war mal seine… äh…«
    Seine mechanische Gespielin. Ein Klon mit einem Computer im
Schädel. Nichts weiter als eine Fickmaschine.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Wilde hat uns
von Ihnen erzählt.«
    Die Gynoid-Frau schüttelte mir die Hand; ich meinte, ein
elektrisches Prickeln wahrzunehmen, aber das bildete ich mir wohl
bloß ein. Sie lächelte mit verwirrend großen,
strahlenden Augen und geteilten Lippen zu mir auf.
    »Dann ist ihm die

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