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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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noch nicht,
aber die Jupiteraner besitzen ebenfalls das wahre Wissen. Einige
ihrer Praktiken sind sogar sozialistisch!«
    Gott steh uns bei!, dachte ich ketzerisch. »Das«,
sagte ich, »macht sie nur noch gefährlicher.
Mächtiger, weil einiger, so wie wir gefährlicher
für sie sind oder es jedenfalls solange waren, bis Ihr… «
    Ich hielt inne, jedoch zu spät. Mary-Lou stieß sich
vom Tisch ab, in der niedrigen Schwerkraft von Callisto eine
langsame, anmutige Bewegung, und rieb die Hände aneinander,
als wollte sie Staub davon entfernen.
    »Das war’s«, erklärte sie. »Ende
der Diskussion. Wenn jetzt schon von uns und euch die Rede ist, dann gibt es wirklich nichts mehr, was uns
miteinander verbindet. Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen,
Ellen. Verschwinden Sie! Machen Sie bloß keinen
Ärger, weder sich noch uns, und lassen Sie sich von jemand
anderem den Kopf zurechtrücken, ich jedenfalls tu’s
nicht. Adieu.«
    Sie hob die Hand über die Schulter, blickte Tatsuro an
und schnippte ungeduldig mit den Fingern. Tatsuro warf mir einen
letzten hilflosen Blick zu, langte seitlich aus dem Bild heraus,
dann wurde der Bildschirm schwarz.
    Jetzt hängt alles von mir ab, dachte ich. Zeit für
Plan B.
    *
    Ich drehte mich in der Luft herum und packte einen
Stützpfosten. Die Genossen und Malley starrten entweder mich
oder den leeren Bildschirm an. Auf dem Kommandodeck war es noch
nie so still gewesen.
    »Das war’s wohl, schätze ich«, sagte
ich.
    »Und ich bin sehr froh«, sagte Malley. Suze sah
erst ihn, dann mich an und nickte schließlich.
    »Es ist vorbei«, meinte sie. »Komm schon,
Ellen. Das war die Entscheidung. Die Würfel sind gefallen.
Die Kometen werden nicht auf dem Jupiter aufschlagen, und
Mary-Lou hat das Komitee auf ihre Seite gebracht. Sicher, es gibt
Risiken, aber sie hat Recht – unser Plan ist riskanter. Wir
müssen uns damit abfinden und hoffen, dass sie die richtige
Entscheidung getroffen hat.«
    »Hoffen«, wiederholte ich.
    Tatsächlich leuchtete Hoffnung aus Suze’ und
Malleys Augen hervor. In den Gesichtern meiner fünf anderen
Kameraden zeigte sich weder Hoffnung, noch teilten sie meine
Befürchtungen. Sie hingen ihren Gedanken nach, dachten
schlimmstenfalls daran, dass sie sich zwischen mir –
zwischen uns, dem Team – und der Union oder gar der
Division würden entscheiden müssen. Trotz unseres
extremen Individualismus zogen wir alle – bewusst oder
unbewusst – Kraft aus der Union, nicht nur im objektiven
Sinn, sondern auch emotional. Zumindest in dieser Beziehung hatte
Mary-Lou Recht gehabt: ›gut für uns‹ hatte
zwei Seiten.
    Jetzt musste ich mit diesem Gefühl arbeiten, es auf meine
Seite ziehen – und auf die der anderen, ob sie sich dessen
bewusst waren oder nicht.
    »Nichts ist vorbei«, sagte ich. »Man hat uns nicht aus der Union ausgeschlossen und auch nicht aus der
Division, und was immer Mary-Lou glauben mag, gehöre ich
solange, bis ich etwas Gegenteiliges höre, dem
Kommandokomitee an.« Ich deutete auf den leeren Bildschirm
hinter mir. »Wenn die Genossen mich rauswerfen wollen, in
Ordnung – dann werden sie es uns unverzüglich
mitteilen. Das haben Sie bislang nicht getan. Und bis dahin werde
ich so verfahren, als ob ich dem Komitee weiter
angehörte.«
    Malley blickte finster drein, Suze zuckte die Achseln, die
Mienen der anderen hellten sich auf. »Okay«, fuhr ich
fort. »Ich muss euch etwas sagen. Vor einiger Zeit haben
Tatsuro und ich eine… Vereinbarung getroffen. Uns war
bewusst, dass es so weit kommen könnte, und wir wussten,
dass wir für den Fall, dass der Kometenbeschuss…
vereitelt würde, eine Rückzugsposition
bräuchten!« Mein Lächeln wurde verhalten
erwidert. »Egal ob durch die Jupiteraner oder aufgrund
unserer eigenen Entscheidung. Wir wussten, dass es zu dieser
Entscheidung kommen könnte. Wir, auch ich, waren
hinsichtlich der Jupiteraner weniger dogmatisch, als Mary-Lou
meinte. Ich habe mich gegen erheblichen Widerstand als
Erste für die Kontaktaufnahme eingesetzt.«
    »Ach, hören Sie doch auf!«, fauchte Malley.
»Damit wollten Sie mich doch bloß zur Mitarbeit
bewegen.«
    »Zugegeben«, sagte ich. »Aber das war wohl
kaum ein Akt blinden Hasses, oder? Ich habe beim
Erstkontakt meine geistige Gesundheit aufs Spiel gesetzt. Sie
wissen, wie ich über Backups denke, und was immer Sie von
meiner Einstellung halten mögen, kann ich doch gute
Gründe dafür anführen.

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