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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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pflegten.
    »Was, zum Henker, war denn das?«, fragt
Tony.
    *
    Ich verändere den Blickwinkel, während der Rechner
Daten von ballistischen Kameras und anderen Siedlungen
einblendet. Plötzlich rückt die Ansammlung der Habitate
und Schiffe von Lagrange 4 ins Blickfeld. Ihre Stelle nehmen
winzige atomare Lichtpünktchen ein – einen Moment lang
glaube ich, sie seien getroffen worden; wir hätten
sie getroffen. Sie mit Atombomben vernichtet.
    Und dann fällt mir auf, dass sie sich bewegen. Die
Lichterscheinungen stammen von Fusionstriebwerken, nicht von
Fusionssprengköpfen. Die Flotte der Außenweltler
nähert sich dem Jupiter. Unser Funknetz ist überlastet.
Neue Bilder tauchen auf:
    Teletrooper hüpfen über die Mondoberfläche,
dringen in Fördercamps ein, übernehmen die Kontrolle
über den Masse-Antrieb. Sie haben ihn eingesetzt, um ein
paar Warnschüsse auf uns abzugeben, und jetzt schickt er
Ladung um Ladung kostbaren Wassers auf einen Rendezvous-Kurs mit
der Außenweltler-Flotte.
    Unsere Leute in den Camps sterben – entweder sie werden
erschossen oder sie ersticken im Vakuum. Die
Überwachungskameras übertragen Bilder von Teletroopern,
die sich über die Toten beugen und klauenartige Geräte
an ihren Köpfen befestigen. Ich habe mir die Hand vor den
Mund geschlagen und beiße mir auf die Knöchel.
    Später taucht der Name meiner Eltern auf der
Vermisstenliste auf.
    Das Gesicht David Reids, des Besitzers der Zwangsarbeitsfirma,
die uns versorgt, erscheint auf unseren Monitoren und
verkündet eine letzte Botschaft an die
Außenweltler-Flotte. Er wirkt wie auf einem Geisel-Video
– das Gesicht hager und stoppelbärtig, die Sprechweise
abgehackt, die Augen huschen umher.
    Dann wird er vom glatt rasierten, siegesgewissen Gesicht eines
Außenweltlers verdrängt. Also sind sie immer noch
Menschen. Wenn man bei ihnen überhaupt noch von Menschen
sprechen will. Der Mann erklärt uns, was sie getan
haben.
    Meine Knöchel beginnen zu bluten.
    *
    Der Sprecher der Außenweltler berichtete uns, was mit
unseren Leuten in den Fördercamps geschehen war. Die
Glücklichen hatte man auf der Stelle getötet. Von den
anderen hatte man einen Gehirnscan angefertigt und sie
anschließend dem Vakuum ausgesetzt. Die Außenweltler
übermittelten uns Unterlagen, die ihren Anspruch auf die
Förderanlagen untermauern sollten: angeblich hatten sie die
Firma vor Jahren gegründet (was wir nicht mehr
nachprüfen konnten) und bislang lediglich versäumt, uns
davon in Kenntnis zu setzen. Ihnen zufolge war die Nutzung der
Minen Diebstahl gewesen, ein Verbrechen, das noch verschlimmert
wurde durch unseren Widerstand gegen die Teletrooper. Sie
forderten eine Entschädigung, die in Form von
Arbeitsleistung von den ›upgeloadeten‹ Menschen
erbracht werden sollte. Sie beabsichtigten, mit den
aufgezeichneten Bewusstseinen ihre Roboter zu steuern, was
wesentlich billiger und schneller sei als AI.
    Welche Toten sie gescannt hatten, teilten sie uns nicht mit,
und die ausgetrockneten Leichen, die wir später bargen,
vermochten uns auch keinen Aufschluss zu geben. Jahrelang hatte
ich Albträume, in denen meine Eltern dieser Prozedur
unterzogen wurden. Sie tauchten auch in Träumen von ganz
anderen Zeiten auf und sprachen von Fernsehschirmen aus zu mir.
Nach dem Konflikt hegte ich nicht bloß eine ideologisch und
ästhetisch begründete Abneigung gegen die
Außenweltler. Der Hass hatte sich mir ins Gehirn
eingebrannt.
    Das war einer der Gründe, weshalb ich mir keine allzu
großen Sorgen machte wegen der geplanten Verhandlungen mit
den Neu-Jupiteranern. In der Nacht nach der Entscheidung wachte
ich mehrfach im Dunkeln neben dem schlafenden Boris auf und
dachte darüber nach. Ganz gleich, wie schön die
Jupiteraner aussehen und wie trügerisch freundlich ihre
Botschaften sein mochten, es lebten noch immer genügend
Menschen, die sich erinnerten und die niemals verzeihen
würden. Das war natürlich nicht die rationale
Begründung für die Vernichtung der Jupiteraner –
aber sie hatte damit zu tun. Wir hatten erlebt, was denen
zustoßen konnte, die einer überlegenen Macht
ausgeliefert waren, und dies war der Grund für unsere
unnachgiebige Entschlossenheit, keine überlegene Macht zu
dulden. Es kann nur eine dominante Spezies geben, und die
Menschheit hatte nicht vor, diese Position preiszugeben. (Oder
jedenfalls ich nicht.) Die Erinnerung an das, was die
Außenweltler uns und

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