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Die Chance seines Lebens

Die Chance seines Lebens

Titel: Die Chance seines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Busch
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keinen klaren Gedanken mehr fassen und war abwesend. Das Tischgebet wurde gesprochen, und alle aßen. Die Geschehnisse des Tages wurden besprochen; die Familienmitglieder redeten durcheinander. Romina achtete nicht darauf und hörte auch gar nicht zu. Lustlos stocherte sie auf ihrem Teller herum.
    Ihr Vater warf ihr ab und zu einen Blick zu, sagte aber nichts. Auch ihre Mutter beobachtete ihre Tochter. So ruhig kannte sie Romina nicht. Sie konnte sonst weder still sitzen noch ihren Mund halten. „Gebe mir bitte die Schüssel!“, sagte ihre Mutter zu ihr, aber sie reagierte gar nicht. „Romina?“
    Romina hob den Kopf und schaute ihre Mutter an.
    Da fragte ihr Vater: „Ist, was passiert?“
    Romina erzählte mit Händen und Füßen von dem Zwischenfall mit Fabian und Nico. „Und jetzt ist seine Geige kaputt“, berichtete sie gerade.
    „Dann geh doch zur Polizei und erstatte Anzeige!“, mischte sich ihr Bruder ein.
    „Nein!“ Die Faust des Vaters donnerte auf den Tisch. Erschrocken guckten alle ihn an. Ihr kleiner Bruder fing an zu heulen.
    „Wir wollen nichts mit der Polizei zu tun haben. Kommt nicht infrage, merke dir das!“
    Jetzt funkelten Rominas Augen vor lauter Wut. Sie sprang auf und schrie ihren Vater an. „Das ist ungerecht, und gegen Ungerechtigkeit lehne ich mich auf. Er kann nichts dafür. Nico ärgert und verprügelt jeden in der Schule. Viele erpresst er und alle haben Angst vor ihm.“
    Ihr Vater stand inzwischen auch. „Wehe, wenn ich erfahre, dass du zur Polizei gegangen bist, dann kannst du dich auf was gefasst machen!“
    Wie zwei Streithähne standen sie sich gegenüber und funkelten sich an. Da ließ Romina ihren Vater einfach stehen und lief aus der Wohnung. Die Wohnungstür schlug krachend zu.
    Zornig setzte sich der Vater an den Tisch. Keiner getraute sich, zu sprechen, sondern sie starrten alle auf ihre Teller. Nach der Mahlzeit räumte die Mutter den Tisch ab und stellte alles in die Küche. Die Geschwister halfen dabei.
    Der Vater rannte noch immer zornerfüllt in der Wohnung umher. Das hatte bisher niemand von seinen Kindern gewagt. Sich ihm zu widersetzen! Und dann noch vor der ganzen Familie! Wütend stürmte er in die Küche. „Raus, raus mit euch! Ich muss mit eurer Mutter sprechen.“
    Und so stürzten die Geschwister aus der Küche.
    Die Mutter schmunzelte.
    „Was gibt es da zu lachen? Romina hat sich vor aller Augen mir widersetzt.“
    Seine Frau legte die Hände auf seine Brust. „Weißt du, woran sie mich erinnert?“
    Ihr Mann schüttelte den Kopf.
    „An mich. Ich war genau wie sie. Temperamentvoll, zornig und mit dem Kopf gegen die Wand.“
    Er überlegte einen Moment, dann schmunzelte er: „Es stimmt, das warst du. Und ich habe dich geliebt dafür.“
    Sie nickte: „Gebe Romina Zeit und eine Chance, sie muss sich erst finden! Außerdem finde ich gut, dass sie sich für andere einsetzt. So soll es auch sein.“
    Er grummelte: „Na gut, du hast wie immer recht!“
    Sie zog seinen Kopf herunter und küsste ihn. Die Welt war wieder in Ordnung.
    Romina lief wütend durch die Gegend. Sie achtete gar nicht mehr auf den Weg oder die Straßen. Sie wollte nur weg. Zornig auf ihren Vater, auf Nico und die Ungerechtigkeit dieser Welt. Oh, wenn ihr Vater wüsste, dass sie an diesem Musikwettbewerb teilnahm, obwohl er es verboten hatte! Daran durfte sie gar nicht denken.
    Auf einmal bauten sich ein paar Jugendliche mit Punkfrisur vor Romina auf.
    Sie hob erschrocken den Kopf.
    „Hey, was geht ab?“
    Romina antwortete nicht gleich.
    „Hast du keine Stimme Tussie?“
    „Ja, warum sollte ich die nicht haben?“
    „Was suchst du hier?“
    „Ach, ich gehe zu meinem Freund“, sagte Romina schnell. „Das brauchst du nicht. Wir haben hier genug Ersatz“, und der Sprecher zeigte auf jeden von ihnen. Alle grinsten.
    „Nein danke, mein Freund wäre ziemlich sauer, und das würde schlecht für mich enden.“
    „Dann hat er dich ja gut im Griff. Solche Kerle mag ich, die ihre Weiber an der Kandare haben!“
    Alle lachten. „Na gut, dann wollen wir dich mal abziehen lassen!“, und er trat zur Seite.
    Romina bedankte sich und schlüpfte durch die Lücke. Sie war heilfroh, dass die Situation gerade so glimpflich abgelaufen war. Sie hätte gegen die Überzahl der Kerle keine Chance gehabt. Wo ging sie eigentlich hin? Romina wusste es auch nicht. Die Hochhäuser wichen kleineren Häusern, aber auch die waren alt, bröckelige Fassaden, kaputte Fensterscheiben kündeten von

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