Die Chaosschwestern sind die Größten!
Fenster, die vom Boden bis zur Decke hoch reichen, sind rundherum mit so krümeligem Kram verziert, den Iris »Stuck« nennt. Sieht eigentlich ganz hübsch aus, und ich überlege gerade, ob ich auch mal diesen komischen Schampus probieren soll. Da sehe ich plötzlich draußen im Dunkeln lauter Leute in furchtbar schmuddeligen Klamotten vor den Fenstern stehen und sich sehnsüchtig die Nasen an den Scheiben platt drücken. Die haben die Augen ganz weit aufgerissen und gucken ganz traurig und … ich kann es nicht wirklich gut beschreiben … ja, hungrig irgendwie. Uff! Das zu sehen, haut mir wie eine Keule in den Magen, und mit einem Schlag hab ich null Appetit mehr auf irgendwas von dem teuren Zeug, das hier dick aufgetürmt herumliegt. Ich stehe da und starre die trüben Gestalten an. Ob es wohl kalt ist da draußen um diese Uhrzeit? Ich gucke mich um. Außer mir scheint niemand die Gesichter vor den Fenstern zu bemerken. Nicht mal Livi. Ich stehe und stehe und starre und starre raus. Mindestens so doll, wie die anderen sehnsüchtig reinstarren. Und ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Also tue ich gar nichts. Aber gut fühle ich mich dabei nicht. Und dann …
H ups? Wo bin ich?
Richtig, in Remas Bett … Und – ähm – was will ich hier gleich noch mal? Ach ja, Remas Nachtspuk auflauern. Genau! Ich bin auf Gespensterjagd , hihi!
Huch – nein – nix hihi! Ich richte mich kerzengerade auf. Denn eben bemerke ich, dass es draußen schon hell ist. WAS ? Hab ich etwa geschlafen? Hab ich die Gespenster ver schlafen?
Wie spät ist es? Wo ist denn Remas Wecker?
NEIIIN ! Schon fast zehn Uhr. MORGENS ! Oh, mistiger Meertang! Das kann doch nicht sein, dass ich die ganze Nacht tief und fest geschlafen habe! Ohne das kleinste bisschen zu hören!
Ich wühle mich aus Remas dicken Federkissen und stehe auf. Ich bin so megawütend auf mich, dass ich am liebsten meinem eigenen Spiegelbild einen Kinnhaken verpassen würde. Das würde mir recht geschehen! Malea Bond! Schnarcht während eines ihrer wichtigsten Aufträge! Wenn das James Bond wüsste, würde er kein Wort mehr mit mir reden.
Na gut, das tut er ja sowieso nicht. Weil er mich natürlich gar nicht kennt. Was in diesem Fall allerdings kein Fehler ist. Eine Geheimagentin, die – Moment, mal nachrechnen … – dreizehn Stunden geschlafen hat! Glaube kaum, dass James das vorbildlich finden würde.
Ich ziehe noch ein paar extra fiese Grimassen vor Remas schönem Standspiegel. Sozusagen als Strafe für mich. Und außerdem nehme ich mir für heute vor, mir meinen Lohn für mein tägliches Spioniertraining – normalerweise eine Kugel Eis im Bella Roma – ersatzlos zu streichen.
Schnell noch das Zimmer untersuchen. Vielleicht habe ich ja Glück und es liegt wenigstens irgendwo ein bisschen zersägte Wand rum? Ich gucke sogar unters Bett und hinter den dicken Vorhang vor Remas Fenstern. Doch da ist echt nichts. Noch nicht mal viel Staub. Puh, Rema scheint ganz schön gründlich zu saugen. Aber was ist das denn? Da liegt ein Stück von den Fußleisten im Zimmer. Und kleine Stückchen davon liegen drumherum.
Ich hebe die Stückchen auf und untersuche sie. Kann ja wohl nicht sein! Wie soll denn eine Fußleiste einfach so abbrechen? Ich gehe noch mal den Rest des Zimmers ab, aber mehr kann ich nicht finden. Hm, da muss ich nächste Nacht aber unbedingt fitter sein und hammerhaihart Wache halten. Wenn hier wirklich Geister am Werk sind, dann wird Malea Bond denen aber mal zeigen, wo der Fisch die Locken hat! Arme Remi! So was Freches, ihr mit all diesen Geräuschen Angst einzujagen!
Nachdem ich mich noch mal umgesehen habe, öffne ich endlich die Zimmertür und stecke mal die Nase in den Flur.
Alles ruhig. Meine Schwestern scheinen ausgeflogen zu sein. Auf die blöden Sprüche von denen – wenn die mitbekommen, dass ich genauso wie Kenny die ganze Nacht lang nur geratzt habe, statt Gespenster zu fangen –, auf diese Sprüche kann ich echt verzichten.
Ich tapse im Schlafanzug in die Küche. Als ich an Iris’ Arbeitszimmer vorbeikomme, höre ich leises Seufzen. Oje, klingt so, als ob Krankenschwester Christine schon wieder unglücklich verliebt ist. Ich schleiche schnell weiter.
Auf dem Küchentisch liegt nur noch ein einsames Sesambrötchen. Ist das alles, was mir die anderen übrig gelassen haben? Davon kann doch keine Spionin satt werden!
Erst jetzt sehe ich, dass Livi vor einem leeren Teller am Ende des Tisches sitzt. Sie sieht ein wenig verloren aus.
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