Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
Flügels. Vor Schmerz aufkreischend, hielt Sleet in seinem Tiefflug inne. Wütend erkannte er, daß im Schiff auch Elfen sein mußten. Noch mehr Pfeile surrten an ihm vorbei. Diese verdammten Elfen, die in der Nacht sehen konnten! Mit ihrer Elfensicht würde er ein leichtes Ziel abgeben, besonders da er jetzt an einem Flügel behindert war.
Er fühlte seine Kraft schwinden und entschied, nach Eismauer zurückzukehren. Er war vom stundenlangen Fliegen müde, und die Pfeilwunde bereitete ihm unerträgliche Schmerzen. Es stimmte wohl, daß er nun der Dunklen Königin ein weiteres Versagen melden mußte, aber – je mehr er darüber nachdachte – es war überhaupt kein Versagen. Er hatte dazu beigetragen, daß die Kugel der Drachen Sankrist nicht erreichte, und er hatte das Schiff zerstört. Er wußte, wo sich die Kugel befand. Die Königin konnte sie mit ihrem weitverstreuten Kundschafternetz in Ergod mühelos zurückgewinnen.
Beruhigt flog der weiße Drache gen Süden. Am nächsten Morgen erreichte er seine Gletscherheimat. Nach seinem Bericht, der angemessen entgegengenommen wurde, schlüpfte Sleet in seine Eishöhle und pflegte seinen Flügel.
»Er ist weg!« rief Gilthanas erstaunt.
»Natürlich«, sagte Derek müde, der mithalf, die Versorgungsgüter aus dem gestrandeten Schiff zu bergen. »Seine Sicht kann deiner Elfensicht nicht standhalten. Nebenbei, du hast ihn einmal getroffen.«
»Es war Lauranas Schuß, nicht meiner«, sagte Gilthanas und lächelte seine Schwester an, die am Strand stand.
Derek rümpfte zweifelnd die Nase. Sorgfältig stellte er die Kiste ab und ging wieder in das Wasser zurück. Eine Gestalt tauchte aus der Dunkelheit auf und versperrte ihm den Weg.
»Keinen Sinn, Derek«, sagte Sturm. »Das Schiff ist gesunken.«
Sturm trug Flint auf seinem Rücken. Als Laurana den Ritter vor Müdigkeit taumeln sah, lief sie zu ihm ins Wasser. Gemeinsam brachten sie den Zwerg zum Strand und legten ihn auf den Sand.
Dann hörte man Wasser aufplatschen. Tolpan watete heran, seine Zähne klapperten, aber sein Grinsen war breit wie immer. Ihm folgte der Kapitän, auf Elistan gestützt.
»Was ist mit den Leichnamen meiner Männer?« fragte Derek gebieterisch, als er den Kapitän erblickte. »Wo sind sie?«
»Wir hatten wichtigere Dinge zu tragen«, sagte Elistan ernst. »Dinge, die für die Lebenden notwendig sind, wie Lebensmittel und Waffen.«
»Viele gute Männer haben ihr letztes Zuhause unter den Wellen gefunden. Eure sind nicht die ersten – und werden auch nicht die letzten sein, nehme ich an«, fügte der Kapitän hinzu.
Derek wollte etwas erwidern, aber der Kapitän sagte: »Ich habe sechs meiner Männer in dieser Nacht verloren, mein Herr. Anders als Eure haben sie noch gelebt, als wir diese Reise begannen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß mein Schiff und mein Lebensunterhalt auch dort unten liegen. Ich würde es mir überlegen, noch etwas hinzuzufügen, wenn Ihr versteht, was ich meine, mein Herr.«
»Es tut mir leid um deinen Verlust, Kapitän«, antwortete Derek steif. »Und ich danke dir und deiner Mannschaft für alles, was ihr versucht habt.«
Der Kapitän murmelte etwas, stand am Strand und blickte ziellos und verloren um sich.
»Wir haben deine Männer dort hinten den Strand entlanggeschickt, Kapitän«, sagte Laurana. »Dort ist Schutz unter den Bäumen.«
Wie um ihre Worte zu bestätigen, flackerte ein helles Licht auf, das Licht eines großen Feuers.
»Dummköpfe!« fluchte Derek. »Sie werden den Drachen auf uns lenken.«
»Entweder das, oder wir werden erfrieren«, gab der Kapitän über die Schulter bitter zurück. »Ihr könnt es Euch aussuchen, Ritter. Mich interessiert es wenig.« Er verschwand in der Dunkelheit.
Sturm streckte sich, stöhnte und versuchte seine eiskalten verkrampften Muskeln zu lockern. Flint lag zusammengekrümmt auf dem Boden, bebte dermaßen, daß die Spangen an seiner Rüstung klirrten. Laurana bückte sich, um ihn mit ihrem Umhang zu bedecken, als sie plötzlich bemerkte, wie sehr sie fror.
In der ganzen Aufregung hatte sie die eisige Kälte völlig vergessen. Sie konnte sich nicht einmal genau an ihre Flucht erinnern. Sie wußte nur, daß sie beim Erreichen des Strandes den Drachen über sich gesehen hatte. Mit tauben, bebenden Fingern hatte sie nach ihrem Bogen gegriffen. Sie fragte sich, ob jemand überhaupt die Geistesgegenwart gehabt hatte, irgend etwas zu bergen...
»Die Kugel der Drachen!« sagte sie
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