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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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einen weiteren Bissen herauszuziehen und ihn gierig hinunterzuschlucken. Diesmal erwischte er auch ein Stück von der brüchigen Wand des Stängels und mit einem fruchtigen Knacken breitete sich ein neuer Geschmack in seinem Mund aus. Wo vorher weiche, flüchtige Süße gewesen war, die sich wie ein wärmender Mantel um seine Zunge gelegt und von dort aus seinen gesamten Körper durchflutet hatte, stritt sie nun mit einem herben Aroma um die Vorherrschaft, das für einen verwirrenden Augenblick wie die Kruste eines frisch gebackenen Brotes schmeckte, dann aber doch etwas völlig anderes war. Erich schmolz förmlich dahin. Er kaute, schluckte, biss und sog, bis nichts mehr von dem Stängel übrig war. Es war das erste Mal, dass ich ihn darum beneidete, dass er einen Körper besaß und ich nicht.
    Auch die anderen beiden hatten sich über die Sumpfrosen hergemacht und in der schwülen Stille über dem Sumpf war nur ihr Schmatzen und das Mahlen ihrer Zähne zu hören.
    Zu spät fiel mir auf, dass noch nicht einmal mehr das Zirpen der Insekten oder das Zwitschern der Schwalben die Ruhe störte. Die Ruhe vor dem Sturm.
    Denn dann brachen die Sumpfratten aus den Büschen hervor.
    Sie waren keineswegs so klein, wie man das von Sumpfratten erwarten würde – einen Unterarm lang etwa – sondern reichten Erich, wenn sie sich aufrichteten, bis an die Schultern.
    Es ging alles so schnell, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich alles mitbekommen habe, was passiert ist, oder ob es wirklich in dieser Reihenfolge vor sich gegangen ist, wie ich es hier wiedergebe. Ich kann nur mit Sicherheit sagen, dass ich Sarn sein Messer heben sah, während er entschlossen sagte: „Angst wird mich durchdringen.“
    Ich wollte zu Erich, um ihm beizustehen, aber noch bevor er die Ratten sah, bemerkte er meine Absicht und versuchte zu verhindern, dass ich die Kontrolle über seinen Körper übernahm. Ich schaffte es schließlich doch, aber es verstrichen kostbare Sekunden, in denen ich nichts tun konnte. Da lag aber bereits eine der Ratten sterbend am Boden und eine zweite kämpfte um ihr Leben. Es war Kern, der als erster sein Messer gezogen und sich den Ratten entgegengestellt hatte. Mit einer Drehung schnitt er der zweiten Ratte den Hals auf und sprang dann zu Erich. Feuer brannte in seinen Augen und sein Messer blitzte in der Sonne.
    „ Geh in Deckung, Chilles!“, rief er und warf sich auf eine Ratte, die Erich – das heißt nun mir in seinem Körper – bereits gefährlich nahe gekommen war. Ich duckte mich weg und suchte nach dem Messer, das Erich zuvor dazu benutzt hatte, die Wurzeln von den Stängeln abzuschneiden. Kern hatte sich unterdessen an dem Tier festgeklammert und versuchte es niederzuringen. Ich entdeckte das Messer einige Schritte entfernt am Rand des Teiches und stürmte hin. Auf halbem Weg stand allerdings plötzlich eine weitere Ratte mit gesträubtem Fell und gefletschten Zähnen.
    Ich versuchte mir eine Taktik zurecht zu legen, um unbeschadet an ihr vorbei an das Messer heranzukommen, aber dafür war es bereits zu spät. Die Ratte sprang auf mich zu und ich konnte gerade noch ausweichen. Als ich mich wieder aufrappelte, sah ich, wie die Ratte erneut auf mich zuraste und einen milchigweißen Schatten, der seinerseits der Ratte entgegensprang. Als er sie einen Wimpernschlag später erreichte, trübten sich ihre Augen und das Tier kam fauchend zum Stehen. Das ganze Gesicht sah aus, als wäre es von einer Sekunde auf die nächste mumifiziert worden.
    „ Hol dir das verdammte Messer, diesen Trick kann ich so schnell nicht noch einmal wiederholen. “, zischte Kerns Dämon und verblasste wieder. Ich rannte zum Teichufer, während die blinde Ratte unkontrolliert um sich biss und kratzte. Sie konnte zwar nichts mehr sehen, aber das machte ihre Krallen nicht weniger gefährlich. Es war Zeit, zum Gegenangriff überzugehen. Ich packte das Messer und eine Handvoll Schlamm, den ich der Ratte in die Schnauze schleuderte und sprang gleichzeitig nach vorn. Die Ratte sprang hoch und fuhr sich mit den Pfoten über ihren Kopf, um sich vom Schlamm zu befreien und ich ließ Erichs Hand mit dem Messer nach vorn schnellen.
    Aber genau in dem Moment, als ich der Ratte einen Stich durch den hochgereckten Hals verpassen wollte, übernahm Erich unvermittelt wieder die Kontrolle über seinen Körper.
    Desorientiert stolperte er über seine eigenen Füße und rammte die Ratte aus dem vollen Lauf heraus mit der Schulter ohne ihr auch nur einen

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