Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
heißem Wasser zu stecken, und das machte dann Toli wütend, weil es bedeutete, daß er die Öfen an diesem Tag zweimal heizen mußte.
Sorren machte der Nebel nichts aus; sie wanderte durch den feuchten Dunst, lächelte vor sich hin. Heute hatte sie sechs verschiedene Einkäufe zu erledigen, ganz zu schweigen von dem Auftrag, etwas über die Ismenin-Verlobung herauszubekommen. Sie ging zuerst zum Schlachter, weil sie das am wenigsten mochte. Der Stand war überlaufen, und sie mußte ihre Bestellung über die Köpfe geringerer Leute hinwegrufen. Dann ging sie zum Fischhändler.
Thule eilte auf sie zu und rieb sich eifrig die roten, aufgesprungenen Hände. »Hat sie den Fisch gemocht?« fragte er.
»Sie war hingerissen!«
Seine Brust schwoll an vor Stolz, wie wenn er jeden einzelnen Fisch selbst gefangen hätte. »Wunderbar, wunderbar. Und was darf ich heute für das Haus Med tun? Wieder Flundern? Seehecht? Seebarsch?«
»Ist Mirrim da?« fragte Sorren. Mirrim war Thules Tochter, eine schmale, stille Frau, die alles wußte, was in der Stadt passierte oder passieren würde.
»Heute nicht«, sagte Thule. »Heilbutt?«
»Zeig ihn mir mal!« sagte Sorren. Sie konnte zwar einen Fisch nicht vom andern unterscheiden, aber sie sah sie sich gern erst an. Thule führte sie zu den Zubern, redete dabei pausenlos und sehr schnell und zeigte ihr die fettesten Fische zur Begutachtung. Bei den Zubern stand der Karren vom Eishaus, und die Fische zuckten und sprangen, als wären sie noch lebendig, obgleich an ihrer Haut Eiskristalle hingen. »Ich nehme Barsch«, sagte sie. Der mittlere Sohn Thules, sein Name war Math, kletterte in einen Zuber und schaufelte mit einem Kescher die schönen braungoldenen Fische in einen Korb, der dem Koch des Hauses Med zugestellt werden sollte.
Die Gemüsestände waren überlaufen, und der Gewürzladen war gerammelt voll von Menschen, die Salz kauften. Sorren sagte dem Ladengehilfen ihre Bestellung auf und ging wieder. Im Isara-Bezirk hielt sie beim Ölhändler an und hinterließ dort die Wochenbestellung für Choba-Öl. Die Frau im Laden war freundlich und geschwätzig: sie tratschte über die Leute, deren Stand an den ihren stieß, über den Rat der Stadt und über ihre eigenen Verwandten. Sie hatte eine drollige und groteske Geschichte über drei Hexer auf Lager.
»Liegt Arré Med mit ihrem Bruder noch immer im Streit?« fragte sie.
»Sie haben keinen Streit«, sagte Sorren. »Sie mögen sich nur nicht besonders gern.« Da dies für sie nichts Neues war, verzog die Ölhändlerin nur das Gesicht.
Von einer Verlobung bei den Ismeninas hatte sie kein Wort gesagt. Sorren runzelte die Stirn, als sie den Stand verließ.
Sie ging zur Asechecke des Marktes hinüber. An einem Stand tanzte eine Asechfrau mit einer Schlange und ließ sie sich um die nackten Brüste schmiegen und winden. Die Frau war graziös und zugleich abweisend, während sie die Schlange über ihre Brustwarze lockte. Zu ihren Füßen saßen zwei Leute, einer spielte die Flöte, der andere jenes den Asech eigene Instrument, das sho.
Der Flötenspieler spürte Sorrens Blick und blinzelte ihr zu. Sie lehnte sich gegen eine Mauer und wartete, bis er zu Ende gespielt hatte. Sein Name war Simbaha, Rufname Simmy, und die Schlangentänzerin war seine Schwester. Sorren hatte für sie beim Erntedankfest einmal getrommelt.
Als die Vorstellung beendet war, klatschten die Zuschauer. Die Schlange zischte bei dem Lärm. Simmy kam mit einem Korb durch die Reihen der Gaffer. »Hallo, Sorren.«
»Ist es nicht zu kalt, nackt zu tanzen?« fragte sie.
»Ich hab' keine Ahnung, ich tanze nicht nackt. Und Tani macht es nichts aus.« Eine Frau warf eine braune Münze in den Korb, und er schwang ihn nachdrücklich hin und her: »Ich danke Euch, Herrin, möge das Lächeln des Wächters über Euch sein!« Er schwenkte den Korb in einem herausfordernden Kreis. Die Flöte, die er an einer Schlinge über der Schulter trug, war mit Blütenmustern bemalt. »Wirst du beim Fest diesmal für Isak Med spielen?«
Sorren nickte. »Ich denke schon. Hast du Jeshim in der letzten Zeit mal gesehen?«
»Diesen chaba'ck?« Das Wort bedeutete in der Asechsprache etwas ganz Scheußliches. »Er hat 'ne Höhle im Jalarbezirk. He, du, ich hab' gehört, du bist vergeben! Warum suchst du Jeshim?«
»Ich bin vergeben«, sagte Sorren. »Und ich will einfach mit ihm reden.«
»Zuuu schade, ich liebe große Frauen«, sagte Simmy.
Sorren winkte Tani auf Wiedersehen zu. Das
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