Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
Vom Netzwerk:
sprang eilig auf die Füße. »Komm, Kind, gehen wir in die Bibliothek!«
    Das Bücherzimmer des Hauses Hok erinnerte Sorren an das Arbeitszimmer von Arré, nur daß hier, anstatt eines einzigen Schranks für die Schriftrollen, an den Wänden viele Schränke mit Glastüren und vollgestopft mit Schriftrollen herumstanden. Es gab einen breiten Holzsessel, das Zwillingsstück zu dem in Martis Zimmer, hinter einem gleichfalls sehr massiven Schreibtisch. Marti ließ sich langsam in dem Sessel nieder. Sie wies mit wedelnder Hand auf die Schriftrollenschränke: »Hast du je zuvor soviel Papier auf einmal gesehen?«
    Sorren schüttelte den Kopf. Sie begutachtete die Schränke und überlegte sich, was es bedeutete, sie alle abstauben zu müssen.
    »Mordith, mein Großvater, war ein Schriftgelehrter. Er hat diese ganzen Rollen hier gesammelt. Er hat die Leute dafür bezahlt, daß sie ihm alte Aufzeichnungen und Geschichten anbringen, und je älter sie waren, desto lieber war es ihm. Er hat mir oft aus ihnen vorgelesen. Samia-no-Reo war seine Freundin, und sie kam oft, und dann saßen die beiden da und waren ganz in den Chroniken versunken, versuchten die Spuren von diesem und jenem Lord aufzufinden, und waren dabei glücklich wie Kinder. Und die Dienstboten hat er nie hier hereingelassen. Er kümmerte sich um alles selber.«
    »Ist er tot?« fragte Sorren.
    Marti lachte. »Sehr tot. Wenn er noch lebte, Kind, dann wäre er sehr, sehr alt.«
    Sorren kam sich töricht vor. Sie beugte sich vor und spähte durch das wellige Glas in einen der Schränke. »Gibt es da die Geschichte der Sorren?«
    »Nicht in dem Schrank. Geh zwei weiter, nach links, und bring mir den Lederband mit dem Papier!« Sorren öffnete die Schranktür. Staub wirbelte heraus, und sie mußte niesen.
    Der Ledereinband war ein rostiges Rot, schrundig, abblätternd, alt. Sie trug die Schrift zum Tisch und legte sie vor Marti Hok nieder. Die alte Frau berührte das Leder behutsam. »Ich glaube, es ist das richtige«, sagte sie und blickte auf. »Ja. Tornor. Weißt du, wo das liegt?«
    »Im Norden, in den Bergen. Es ist eine Grenzfeste.«
    »Und weißt du auch, was eine Grenzfeste ist?«
    »Ein Schloß. Eine Burg.«
    »Und weißt du, wozu eine Burg dient?« fragte die alte Frau.
    Sorren erinnerte sich an das, was Kadra gesagt hatte. Sie wurden erbaut ... als Arun im Krieg lag mit Anhard-hinter-den-Bergen ... »Für den Krieg«, antwortete sie.
    »Und was weißt du vom Krieg?« fragte Marti Hok.
    »Nichts«, sagte Sorren, doch sie erinnerte sich an die Geschichten, die sie an den Lagerfeuern der Weinleser gehört hatte. »Doch, ein bißchen. Meine Mutter hat mir was erzählt, über eine Zeit, in der wir gegen das Volk der Asech gekämpft haben. Sie kamen aus der Wüste und haben alles niedergebrannt und getötet ...« Sie zitterte bei der Erinnerung daran, wie der Feuerschein über die Gesichter der alten Weiber in den Weinfeldern gezuckt hatte, wie sich die alten knotigen Hände im Rhythmus ihrer Worte bewegt hatten.
    »Mir hat man die gleichen Geschichten erzählt«, sagte Marti Hok leise. »Mein Großvater konnte sich noch erinnern. Er erzählte mir oft von Dörfern und Feldern in Flammen, von Reitern, die aus der Wüste herangaloppiert kamen ... Ich träumte Alpträume, daß mein Zimmer in Flammen stand und ich mitverbrannte, und ich weinte in meine Kissen, bis meine Großmutter zu mir kam und ihm befahl, mit diesen Geschichten aufzuhören, und dann erzählte sie mir, daß die Hexer im Tanjo Frieden für alle Ewigkeit mit den Asech geschlossen hätten und daß sie niemals zulassen würden, daß die Stadt brennt.«
    Einen kurzen Augenblick lang sah Sorren in Marti Hoks Gesicht das kleine Mädchen, das sie einst gewesen sein mußte. Vor sechzig Jahren. »Hast du damals schon in diesem Haus gewohnt?« fragte sie.
    »In diesem selben Haus. Nun, diese Zeit ist vorbei und wird nie zurückkehren, wenn es dem Wächter gefällt. Ich bete darum, daß der Krieg etwas bleiben möge, was du nie erfahren mußt. Es gibt in unserer Geschichte eine Epoche, die wir als ›Die Jahre der Kriege‹ bezeichnen. So hat mir jedenfalls mein Großvater gesagt, daß man sie im Norden so nennt. Die Grenzfesten wurden vor langer, langer Zeit erbaut, um die Menschen zu schützen, die auf der Steppe lebten, um sie vor den Überfällen der räuberischen Anhardleute zu bewahren. Früher kämpften wir gegen Anhard, genau wie gegen die Asech. Doch diese Kriege fanden vor zweihundertundfünfzig

Weitere Kostenlose Bücher