Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
Kopf. »Ahnst du es noch immer nicht, Letzte Flamme? Dystariel ist Morgoyas Tochter.«
Der Hort des Drachenkönigs
Kai hockte müde auf einem samtbezogenen Eichenstuhl im Audienzzimmer der Burg und s ah dabei zu, wie Magister Äschengrund dem Markgrafen einen Krug an die Lippen setzte und ihm ein dampfendes Gebräu einflößte. Er schluckte widerwillig und etwas von dem gräulich schimmernden Elixier besudelte seinen Bart.
»Jetzt wird sich zeigen, ob es sich dabei wirklich um ein Gegenmittel gegen dieses Hexengift handelt«, sagte Äschengrund geschäftig. »Wenn wir die Aufzeichnungen Roxanas richtig gedeutet haben, hat diese Hexe dafür gesorgt, dass zumindest die Soldaten dieses Zeug regelmäßig verabreicht bekamen. Apathische Soldaten kämpfen eben nicht so gut.«
Eine Weile tat sich nichts, und so hatte Kai Zeit, sich nach Eulertin umzusehen. Der kleine Magier saß still neben ihm auf der Armlehne. Der Zauberlehrling wusste, dass der nachdenkliche Blick seines Lehrmeisters vornehmlich jener Stelle am Fußboden galt, wo sich der Schatten seines Kollegen hätte befinden müssen. Doch Äschengrund hatte kein Glück gehabt. Er würde wohl nie wieder zaubern können. »Wie geht es Euch, Magister?«, flüsterte Kai, während der Drakologe den Krug auswischte und auf einem Tisch abstellte.
»Mit jeder Stunde besser«, wisperte der Däumling leise. »Dennoch fühlt es sich an, als sei ein Teil von mir zerrissen. Mein Innerstes schmerzt noch immer, wenn ich zaubere. Ganz so, als ob ...«, er versuchte die richtigen Worte zu finden. »Ganz so, als ob man dir die Haut vom Leib gerissen hätte und man dich anschließend zwänge, grobes Leinen anzulegen. Verstehst du?«
Kai schauderte bei der Vorstellung.
»Aber es wird wie gesagt besser.« Er seufzte und blickte dankbar zu ihm auf. »Ich weiß noch nicht, ob ich je wieder meine alte Stärke zurückgewinne. Schätze, ich bin mit einem blauen Auge davongekommen. Es hätte mich wahrlich schlimmer treffen können ...«
Äschengrund sah zu ihnen herüber und verzog missmutig seine Lippen. »Sprecht Ihr über mich? Ich mag es nicht, bedauert zu werden, verstanden?«
»Wir haben dich nicht bedauert, Haragius«, versicherte Eulertin schnell und erhob sich mit leisem Ächzen. Kai blickte auf den kleinen Schatten, den der Däumling auf die Lehne warf, und fühlte unendliche Erleichterung darüber, das Schlimmste abgewendet zu haben. »Trotzdem tut es mir leid, dass mein Lehrling nichts mehr für dich tun konnte.«
»Unsinn.« Äschengrund winkte unwirsch ab. »Wisst ihr, ich habe inzwischen einiges begriffen. Es bedarf keiner Zauberkräfte, um Großes im Leben zu bewirken. Gut, zugegeben, Magie erleichtert vieles im täglichen Leben. Aber bin ich dadurch ein glücklicherer Mensch geworden? Nein. Die Magie ist doch nur ein Werkzeug. So wie eine Hobelbank, ein Pinsel oder ein Steinmetzhammer. Wirklich glücklich machen einen doch ganz andere Dinge im Leben. Man muss bloß herausfinden, um was es sich dabei handelt. Die meisten Menschen vergeuden ihr Leben damit, neidisch auf andere zu blicken, statt zu entdecken, welche Talente, Interessen und Fähigkeiten in ihnen selbst ruhen. Das ist mir inzwischen klar geworden. Ich bin in erster Linie Drachenkundler. Dieser Tätigkeit kann ich auch in Zukunft nachgehen, ganz ohne Zauberkräfte.« Äschengrund sah sie gespannt an. »Versteht ihr, was ich meine? Wenn ich einmal tot bin, dann wird man mich doch nicht daran messen, ob ich ein Zauberer war. Nein, dann hoffe ich, dass man sich an mein Lebenswerk als Drakologe erinnert. Dann wird man hoffentlich sagen: >Seht, alles, was wir heute über Drachen wissen, haben wir von Magister Äschengrund gelernt. Er war der Erste, der diese stolzen Wesen der Lüfte nicht bekämpfte, sondern studiertem«
Kai schmunzelte. »Meine selige Großmutter würde jetzt sagen, Ihr seid ein Großer! Und das war das größte Kompliment, das sie je einem Menschen gemacht hat.« »In der Tat, Haragius«, erklärte der Däumling. »Und ich möchte noch etwas hinzufügen: Ich bin stolz, dein Freund zu sein.«
Da ging die Tür auf, und Fi kam in Begleitung zweier Diener herein. Einer der beiden trug Olitrax auf dem Arm. Sein rechter Flügel war verbunden. Er hatte sich auf eine der Wassernixen gestürzt und war von ihr gebissen worden. Als der kleine Drache den Zauberlehrling entdeckte, schnaubte er freudig, flatterte trotz seiner Verletzung empor und setzte sich auf Kais Unterarm. Schnurrend drückte der
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