Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
blauen Blüten von den Zweigen und versteckte sie hastig in seinen Taschen. Irgendwann war der Erzmagus wieder ungeschützt, dann würde er ihm eine böse Überraschung bereiten ...
Aureus von Falkenhain erreichte das verschattete Zentrum des Irrgartens als Erster und blieb stehen. Sein Gewand hatte aufgrund des dichten Pollenflugs längst eine schmutzig braune Färbung angenommen, doch es kümmerte ihn nicht. Er murmelte eine Formel, beschwor drei Windsbräute mit wehenden Haaren herbei und befahl ihnen, das vor ihm liegende Areal von Blättern und Wurzelsträngen zu säubern. Kai sah erstaunt, dasszu ihren Füßen moosbewachsene Granitplatten verborgen lagen, die der unbekannte Schöpfer der Anlage zu einer kreisrunden Fläche angeordnet hatte. In allen vier Him- melsrichtungen wurden die Platten von hüfthohen Säulen eingerahmt. Letztere liefen nach oben hin in steinernen Schalen aus, die am Rand mit arkanen Symbolen verziert waren -die Zaubersymbole für die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde.
Kai schluckte. Der Ort war ihm irgendwie nicht geheuer. Und mit jedem Atemzug, den er tat, wurde ihm unheimlicher zumute, ganz so, als ströme der Platz einen finsteren Odem aus. Am liebsten wäre er davongelaufen, doch der Sklavenkragen hinderte ihn daran.
»Fantastisch!«, murmelte der Erzmagus und klopfte sich beiläufig einige Pollen aus dem Bart. »Meine Herren, das ist mehr als ich erwartet habe. Wir sind Morgoya zuvorgekommen!«
Kai sah den obersten Stadtmagister irritiert an. Was meinte der Mistkerl mit seiner letzten Äußerung?
Von Falkenhain trat vor die Schale mit den elementaren Luftzeichen und wischte fahrig über das Gestein. Sein Blick hatte einen gierigen Ausdruck angenommen. »Jetzt müssen wir bloß noch den Zugang öffnen.«
»Was ist das hier ... Erzmagus?«, wagte sich Kai zu fragen.
Der Zauberer blickte triumphierend zu ihm auf. »Das wirst du noch früh genug erfahren, Junge. Vor dir liegt der Grund, warum Morgoya Colona erobern will. Hier wird sich der Krieg entscheiden. Zwanzig lange Jahre habe ich mir Gedanken um ihre Ziele gemacht. Ich habe Bücher gewälzt und Orte besucht, die du dir in deinen kühnsten Träumen nicht ausmalen kannst. Militärisch sind wir ihr nicht gewachsen. Auch wir Magier können daran nur wenig ändern. Doch jetzt halten wir den Schlüssel in der Hand, um eine Macht zu entfesseln, mit der wir die Elende in die Fluten des Nordmeeres zurückwerfen können.« Mit einem herrischen Nicken bedeutete er Kai, an die Schale mit den Feuersymbolen heranzutreten. »Magister Balthasar, übergebt dem Adept seinen Zauberstab.« Der dritte Magier, ein Mann mit hohlen Wangen und fliehender Stirn, trat zu Kai heran und reichte ihm seinen verloren geglaubten Zauberstab. Glücklich schlossen sich Kais Finger um das Eichenholz, doch gegen die Macht des Sklavenkragens nützte auch er nichts.
»Und jetzt mach dich nützlich, Letzte Flamme«, sagte von Falkenhain mit schneidender Stimme. »Beschwöre in der Schale elementares Feuer herauf!«
Der Erzmagus hatte den Befehl kaum formuliert, als Kai auch schon die entsprechenden Zaubergesten wob. Er wollte nicht, doch je mehr er versuchte, sich dem Befehl zu widersetzen, desto stärker wurde der bösartige Schmerz hinter seiner Stirn. Kais Hass auf die Erniedrigung durch den Erzmagus wuchs.
Mit einem lauten Prasseln entzündete sich vor ihm in der Schale ein Irrlicht. Die drei Magier beschworen nun ihrerseits Elementare herauf. Vor dem Botanicus erschien eine Kröte aus Humus, der hohlwangige Magier beschwor einen glitzernden Seestern und in der Schale vor Aureus von Falkenhain wirbelte eine kleine Windhose. Die vier Elementare waren kaum erschienen, als die Steinplatten zu ihren Füßen in fahlblauem Licht aufleuchteten. Kai stieß einen Laut der Überraschung aus, als im Zentrum eine granitene Bodenluke erschien. Darin prangte ein kunstvolles Schloss aus Koboldgold, das im trüben Licht der Sonne funkelte. Die vier Elementare sanken in sich zusammen. Mit ihnen verebbte auch das blaue Leuchten, das die Granitplatten erfasst hatte.
»Verflucht!« Aureus von Falkenhain trat an die Tür zu ihren Füßen und starrte auf das Schloss. »Ich habe zwar mit weiteren Sicherungen gerechnet, aber nicht mit so etwas.« »Mir scheint, Euer Vorhaben ist gescheitert, Eure Magnifizenz?«
Zornig drehte sich von Falkenhain um und suchte den Sprecher. Ein Stück von ihnen entfernt stand auf einen Krückstock gestützt ein alter Kobold mit langer
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