Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
Dämons an. Schon näherten sich weitere Mönche mit entstellten Gesichtern, das Blut der Hyäne schien sie zu stärken, und gerade als Nando das Schwert erneut zum Schlag hob, klang ein Wimmern durch die Luft, laut und durchdringend wie von einem verzweifelten Kind. Selbst die Angreifer hielten inne, und Nando hörte, wie sich Ligurs Trauer in Zorn verwandelte und dann in Hass. Brodelnd erhob sich das Blut der Hyäne in die Luft, gleichzeitig ließen die Ratten von ihren Opfern ab und strömten in die Mitte des Saales. Dort kletterten sie aufeinander und formten einen gewaltigen Körper nach. Ligur war es, den sie dort errichteten, und als das Blut seiner Hyäne ihn traf, verwandelte er sich in eine Figur aus tausend Leibern, die mit donnerndem Brüllen ihre Haut in Flammen setzte.
Ein glühender Orkan fegte durch den Raum, der Nando von den Füßen riss. Noemi duckte sich vor den umherfliegenden Funken, doch als Ligur die Fäuste emporriss, verwandelten sie sich in eiskalten Regen. Zischend trafen die Tropfen Nandos Haut, er schrie auf, als das Wasser der Hölle ihn verwundete. Nur mit Mühe konnte er den Schmerz zurückdrängen, und er hörte Noemi neben sich keuchen. Undeutlich vernahm er den Schwingenschlag, mit dem Avartos bei ihnen landete. Der Schutzzauber des Engels hielt nur einen kleinen Teil des giftigen Regens ab. Kaya floh in die Geige auf Noemis Rücken, und mit jedem Tropfen, der Nando traf, schien es ihm, als würden die Ratten ihre Zähne in sein Fleisch schlagen. Die Luft färbte sich dunkel in dem Dunst, und mit jedem Atemzug drang Ligurs Hunger stärker in ihn ein – in ihn und die Mönche ringsherum. Die Gier des Dämons griff um sich wie eine Seuche. Bereits Verwundete erlagen dem Gift, das in ihnen wütete, und unterdessen strömten neue Ratten in den Raum, als wären sie Sand, der von außen durch Fenster und Türen drang. Avartos schlug mit flammenden Peitschen nach ihnen, die verbliebenen Mönche schickten mächtige Zauber in die Reihen der Angreifer, doch Nando konnte ihn fühlen: den Hunger, der sich mit jedem Biss, jedem Regentropfen stärker auf seine Opfer übertrug und der auch ihn selbst erfasst hatte. Schon taumelte er auf dem rutschigen Boden. Wie in Trance schaute er zu dem riesenhaften Ligur auf und spürte, dass dieser ihn suchte – ihn, den Teufelssohn, um ihn zu verschlingen. In tödlichem Feuer glitt sein Blick über die Kämpfenden, nur noch wenige Schritte, dann hatte er ihn erreicht, und dann …
Helles Licht zerschnitt den Raum. Es traf die Regentropfen und sprengte sie, als wären sie aus Kristall, und da sah Nando Hadros auf dem Altar stehen, den Blick tief geneigt, das Schwert des Teufels in seiner Hand.
Sein Gesicht war regungslos, als er zu dem Dämon aufsah, der vor ihm stand wie ein zum Leben erwachter Albtraum. Hadros’ Blick aber ging durch ihn hindurch, und als er nun die Klinge mit dem fliegenden Falken vor sein Gesicht hob, als würde er einen unsichtbaren Gegner zum Kampf fordern, hörte Nando seine zahlreichen Namen. Krieger des Ersten Lichts, Herrscher der Scherben und Flüche der Kerebrar, Höchster Jäger des Schwarzen Blutes, Träger der Zwölf Flammen und Meister der Silbernen Raben. Mit jedem Namen beschleunigte sich Nandos Herzschlag, und er sah ihn vor sich: Hadros Baldur Ragnarvar, den mächtigsten Krieger, den das Volk der Engel je hervorgebracht hatte – sah ihn vor sich in den Gefechten, in denen er vor langer Zeit gekämpft hatte, und meinte, Bhalvris selbst in seiner Hand zu fühlen, als Hadros in der Schlacht von Bhrakanthos das Schwert ergriff und es tief in Luzifers Brust stieß. Schwarz strömte die Macht des Teufels über die Klinge mit dem Drachenkopf, und immer, ganz gleich, ob Hadros gegen eine Übermacht antrat oder gegen einen Dämon der niedersten Kasten, trug er diesen Ausdruck auf den Zügen: diesen Schatten, der seine Augen in pures Gold verwandelte und weder von Licht noch von Dunkelheit getragen wurde, sondern nur von einem: dem unbezähmbaren Willen eines Kriegers.
Die Klinge des Schwerts bündelte das Licht zu eiskaltem Silber. Ligur ballte die Fäuste, knackend zerbrachen die Rattenkörper zwischen seinen Fingern, und da breitete Hadros die Schwingen aus und jagte auf seinen Feind zu. In blitzschnellen Hieben traf er ihn an Schulter und Brust und zeigte keine Regung, wenn ihn ein mächtiger Hieb traf. Bhalvris’ Licht ergoss sich in die Reihen der Kämpfenden, und während zahlreiche Ratten in diesem Glanz zu Asche
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