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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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rechnete damit, dass der Engel jeden Moment seinem Zorn freien Lauf lassen würde – doch da schaute er auf und wusste, dass dieser Anblick selbst Avartos zum Schweigen bringen würde.
    Carmenya stand vom brechenden Zauber umspielt da. Jede Maske war von ihrem Gesicht gewichen, und da sah Nando das Bild, das in ihren Augen versank, das Bild Antonios, das von warmem Gold umschlossen wurde und ihre Augen glänzen ließ wie unter Tränen. Selten hatte Nando solche Schönheit erblickt.
    »Alvoron Melechai Di Heposotam«, sagte sie kaum hörbar, »siebzehnter Gesandter des Höchsten Rates, Träger der Schwarzen Flammen zum Zeichen des Rittertums. Ich traf ihn wenige Male zwischen den Welten, und ich kann ihn noch immer fühlen … ihn und seinen Traum. Ich ahnte nicht, dass er dein Mentor war, Teufelssohn.«
    Nando kam auf die Beine. Er schwankte, doch er konnte nicht knien bei dem, was er zu sagen hatte. »Er war mehr als das«, erwiderte er ruhig. »Er war mein Freund.«
    Carmenya sah ihn an, und plötzlich lächelte sie. »Er wäre stolz auf dich, wenn er dich jetzt sehen könnte. Stolz, zu sehen, dass du dem Feuer der Oskardar standgehalten hast, stolz darauf, dass der Sohn des Teufels dem Licht der Engel ebenso widersteht wie den Schatten.« Sie nickte langsam, und Nando spürte den warmen Schauer, der ihn bei diesen Worten durchzog. Dann wurde sie ernst. »Doch dein Weg ist noch weit. Du musst noch viel lernen, ehe du dich in die Dunkelheit der Hölle begeben kannst.«
    Sie entfachte ein Feuer in ihrer Hand und hielt es Nando hin. Er ging darauf zu, und als er sie erreicht hatte, erloschen die Flammen und gaben den Blick frei auf ein schneeweißes Stück Papier. Etwas stand darauf, unheilvoll legte sich die Bedeutung der Buchstaben auf Nandos Stirn.
    »Hadros kann euch helfen«, sagte Carmenya. »Doch ich weiß weder, ob ihr ihn findet, noch, ob er an eurer Seite stehen wird. Sucht ihn an diesem verfluchten Ort, dorthin ist er zuletzt aufgebrochen. Doch bedenke, Sohn des Teufels: Er wird herausfinden, wer du bist, leichter als ich. Und vielleicht wird er dich für diese Wahrheit töten.«
    Nando neigte kaum merklich den Kopf. »Dann ist es die Wahrheit, für die ich sterbe«, erwiderte er. »Und nicht die Lüge.«
    Ihr Lächeln flammte noch einmal durch ihren Blick, ehe sich langsam die Maske wieder über ihre Züge legte. Geh , raunte sie in seinen Gedanken. Fliege auf den Schwingen des Lichts und der Schatten – und atme in der Dämmerung dazwischen.
    Schweigend verließen sie den Turm. Das silberne Spiel der Kreolen empfing sie auf der Lichtung, und Nando musste lächeln, als er die Stimmen der Vögel durch den Wald klingen hörte. Kaya summte leise, und die Töne vermischten sich mit dem Rauschen der Blätter zu einer verzauberten Melodie.
    »Ich werde nie verstehen, warum sie in dieser Stadt bleibt«, murmelte Avartos. »Ich begreife nicht, warum sie bleibt, wenn sie die Engel hier so sehr hasst.«
    »Du glaubst, dass du die Schatten kennst, Krieger des Lichts«, erwiderte Noemi ohne jede Herablassung. »Aber du hast nie in ihnen gelebt. Du weißt nicht, welche Gefahren auf dich lauern, wenn du niemanden hast, der für dich spricht. Ich jedoch weiß, wie das ist, denn ich bin rechtlos seit meiner Geburt. Und doch würde ich nirgendwo anders leben wollen als in den Schatten – dort, wo meine Heimat ist.« Sie hielt kurz inne, und Nando schien es, als würden ihre nächsten Worte auch ihm gelten. »Eine Heimat … Weißt du überhaupt, was das ist, Engel der Dämmerung?«

15
    Das Licht der untergehenden Sonne brach sich in den Kristallbauten Nhor’ Kharadhins und ließ sie in flammenden Farben glühen. Die hellen Klänge silberner Fanfaren zogen über die Dächer, und Nando hörte Kaya in der Geige seufzen, als er mit Noemi durch die Straßen lief. Ohne jeden Zweifel starb die Dschinniya in dieser Stadt regelmäßig tausend Tode aus Angst vor der Aufdeckung ihrer wahren Identität. Aber diese Musik, die sanft und kraftvoll zugleich von den Schlachten der Ersten Zeit erzählte, von den Heldensagen der Engel und der Schönheit und Traurigkeit, die in der Seele dieses Volkes lag, liebte sie. Und doch lag mehr in jedem Ton, etwas wie Abschied vielleicht.
    Nando ließ den Blick über die Häuser des Handwerksviertels gleiten. Avartos hielt in diesen Augenblicken eine letzte Besprechung mit seinen Offizieren ab, sie selbst waren auf dem Weg, um ihre Rüstungen zu holen, und dann würden sie Nhor’ Kharadhin

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