Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
verschwand der Magier und ließ den riesigen Ork allein zurück.
Ul‘goth betrachtete abermals ungläubig seinen Kriegshammer. Plötzlich beschlich ihn ein merkwürdiges, unvertrautes Gefühl. Ihn fröstelte, obwohl im Zimmer angenehm Wärme herrschte.
Er hatte Angst! Es musste Angst sein.
Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte der mächtige Orkhäuptling das Gefühl von Angst. Diesem gebrechlich wirkenden, alten Mann war er nicht gewachsen – trotz aller Kraft, er würde ihm nichts anhaben können.
Mit einem lauten Scheppern fiel die Waffe zu Boden. Ul‘goth sank auf die Felle zurück und legte das Kinn in die rechte Hand, während er die linke schwer auf die Knie stützte. Und wieder trat diese tiefe Falte auf seine Stirn.
* * *
Der alte Schamane wurde jäh aus seiner Meditation gerissen. Grunduul hatte befürchtet, dass dieser Tag kommen würde: Der Magier Xandor hatte sich persönlich gezeigt. Bisher war der Mensch lediglich Grunduul selbst begegnet, doch nun schien er seine Dienste nicht länger zu benötigen und wandte sich unmittelbar an Ul‘goth.
Grunduuls Träume von Macht zerplatzten so schnell, wie sie ihm damals erschienen waren. Anfangs hatte er durch den Hexer ungeahnte Möglichkeiten gesehen, doch nun wurde ihm schlagartig klar: Xandor hatte ihn lediglich als billigen Handlanger benutzt. Als Boten, weiter nichts. Damit wollte der Schamane sich nicht zufrieden geben, er wollte mehr. Er hatte gesehen, wie mühelos die Orks die Menschen besiegt hatten. Grunduul hielt noch viel mehr für möglich, doch nur, wenn die Orks nicht vor den Karren eines menschlichen Magiers gespannt wurden.
Der Schamane wusste, dass er soeben die Kontrolle über Ul‘goth verloren hatte. Der Ork würde nun nur noch Einem gehorchen: Xandor.
Doch Grunduul wusste auch, dass eine Zeit ohne Ul‘goth und Xandor folgen würde. Xandor würde die Orks früher oder später nicht mehr benötigen, und Ul‘goth würde einst sterben, im Kampf oder an Altersschwäche. Auf diesen Augenblick musste der Schamane sich vorbereiten.
Er brauchte einen neuen Schützling.
* * *
Als Xandor wieder in seinem Arbeitszimmer in den Minen eintraf, fühlte er sich deutlich entspannter. Den Orkhäuptling hatte er unter Kontrolle, dessen war er sich sicher. Dieser grüne Muskelberg würde es nicht wagen, ihn anzugreifen, dafür hatte er ihm seine Macht zu eindeutig vor Augen geführt.
Xandor hatte die Orks schon seit langem beeinflusst. Einer der Schamanen der Orks, Grunduul, hatte sich Xandor unterworfen. Der Magier hatte die Machtgier des Schamanen genutzt, um sich eine Stimme bei den Orks zu schaffen. Durch Grunduul war es ihm möglich gewesen, die Orks zu diesem Krieg zu überreden.
Diese Aufgabe hatte der Schamane zu Xandors Zufriedenheit erfüllt, allerdings war er ihm nun, da Surdan eingenommen war, nicht mehr von Nutzen. Sein letzter Auftrag hatte darin bestanden, einen vierten Aurastein in Ul‘goths Schlafgemach zu platzieren. Für mehr als derlei Laufburschendienste würde Xandor den Schamanen nicht mehr benötigen.
Morgen würde er dieses Labyrinth verlassen und in das Arkanum in Surdan zurückkehren. In der Bibliothek würde er hoffentlich ein paar Antworten auf seine zahlreichen Fragen finden.
Jemand mit Xandors Macht empfand es als höchst unbefriedigend, mehr Fragen zu haben, als Antworten zu kennen.
Doch er war sicher, dass sich dieser Umstand schon bald ändern würde. Zunächst galt es, Dergeron nach Norden zu entsenden.
Er fand den Krieger in der kleinen Kammer vor, in der er die letzten Tage gelegen hatte, während Xandors dämonischer Zauber ihn in den zuverlässigen Diener verwandelt hatte, den er nun verkörperte.
»Es ist Zeit«, verkündete der Magier schlicht. Dergeron stand sofort auf und ergriff ein kleines Bündel. An seinem Gürtel hing das Kurzschwert, sein Bastardschwert hatte er sich auf den Rücken geschnallt. Außerdem trug er ein leichtes Kettenhemd über dem wattierten Wams.
Der Magier führte ihn in einen Raum neben seinem Arbeitszimmer, in dem mehrere Kisten standen. Xandor überlegte kurz, dann suchte er einige Gegenstände zusammen, die er seinem Schützling überreichte: einen langen schwarzen Kapuzenmantel, einen kleinen Beutel mit ein paar Goldmünzen, eine Decke und eine kleine goldene Kette, an der ein schwarzer Obsidian hing. Er ließ die Kette ein wenig vor den Augen des Kriegers hin und her schwingen, dann legte er sie ihm um den Hals.
»Bewahr dieses Amulett gut auf. Es ist wohl
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