Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
offenkundiger.
»Wir sollten einen Deserteur finden und zurück nach Surdan bringen«, erwiderte Dergeron kurz angebunden. Er war zufrieden mit dem eigenen Einfallsreichtum. Vermutlich würde sich diese Geschichte schnell verbreiten, denn Dorfbewohner tratschten bekanntlich für ihr Leben gern. Dieser Ort musste an einer Handelsstraße liegen – er wusste, dass es eine solche Straße entlang der Todfelsen gab. Tharador würde es nun sehr viel schwerer haben, hier im Norden ungestört zu reisen, und vielleicht konnte er sogar einige Stadtwachen dazu bringen, nach ihm Ausschau zu halten.
»Einen Deserteur?«, fragte Roglund gespannt.
»Ja. In Surdan steht auf Desertieren die Todesstrafe. Wir sollten diesen Verbrecher finden und das Urteil vollstrecken. Aber wir gerieten in eine Falle. Zusammen mit einem Spießgesellen lockte er uns in einen Hinterhalt und tötete zwei Männer unserer Gruppe. Im folgenden Kampf starben alle bis auf den Deserteur und mich. Er konnte entkommen, ich blieb bewusstlos zurück.«
»So ein dreckiger Lump!« Roglund schien außer sich vor Zorn, zugleich klatschte er sich vor Erregung mit beiden Händen auf die Oberschenkel. »Ihr seid ohne Zweifel ein Held.«
»Nein, denn noch habe ich ihn nicht gefunden«, entgegnete Dergeron rasch und lenkte das Gespräch sogleich wieder auf seine Lügengeschichte. »Ich vermute, dass er es in den Norden geschafft hat, und ich werde nicht eher nach Surdan zurückkehren, bis ich ihn aufgespürt habe. Das bin ich meinen gefallenen Kameraden schuldig. Meine armen Freunde ... Ich musste sie unter Felsen und Schotter begraben.« Dergeron versuchte, eine betrübte Miene aufzusetzen, während er sich ein Grinsen ob der Gutgläubigkeit des Bauern verkneifen musste.
»Ihr habt die Männer alle begraben?«
»Mit meinen eigenen Händen.«
»Ihr seid nicht nur ein Held, Ihr seid ein Heiliger«, sagte Roglund aufrichtig und strahlte dabei übers ganze Gesicht, stolz darauf, dass Dergeron ausgerechnet sein Haus ausgewählt hatte, um darin zu rasten.
Dergeron erzählte noch bis spät in die Nacht von seiner ersonnenen Reise und Mission. Dabei beschrieb er Tharador in allen Einzelheiten als den Deserteur. Das war nicht einmal gelogen, denn Tharador hatte ja tatsächlich desertiert – Dergeron rückte die ganze Sache lediglich in den richtigen Blickwinkel.
Roglund hörte die ganze Zeit aufmerksam zu, völlig gefesselt von den Worten des tapferen Mannes. Für ihn verkörperte Dergeron den wohl größten Helden, den die Welt jemals gesehen hatte. Es galt als schier unmöglich, die Todfelsen alleine zu überqueren, geschweige denn auch noch verletzt. Ja, vor ihm saß zweifelsfrei ein Held, dem er helfen würde, so gut er konnte.
»Morgen werde ich mich für Euch umhören. Dieser Verbrecher kann ja noch nicht lange hier im Norden sein. Sagt, ist der Mann gefährlich?«, fragte er sichtlich besorgt.
»Ich denke nicht. Zumindest nicht für Euch. Aber für mich. Sobald er mich sieht, wird er versuchen, mich zu töten, um seinem Schicksal zu entrinnen«, erklärte Dergeron ruhig. Roglund entspannte sich sichtlich. »Geht schlafen, guter Mann. Solange ich hier bin, seid Ihr sicher, das verspreche ich.«
Dergeron blieb noch eine Weile am Kamin sitzen, nachdem Roglund verschwunden war. Er konnte mit sich zufrieden sein. Er hatte eine warme, sichere Schlafstätte gefunden, und Tharador würde bald als kaltblütiger Mörder gejagt werden. Sollte er sich in dieser Gegend herumtreiben, würde es ein Leichtes werden, ihn zu finden. Und falls er sich noch weiter im Norden aufhielt, würde im Dorf sicherlich ein Pferd zu bekommen sein, mit dem Dergeron die Suche fortsetzen könnte. Bald würde es keine Ortschaft im mehr Norden geben, in der Tharador sich verstecken könnte. Und falls er bei den Elfen weilte, würde Dergeron eben auf ihn warten.
Er brannte darauf, den Kampf mit seinem einstigen Freund fortzuführen. Sie waren sich absolut ebenbürtig gewesen, und nichts war aufregender als ein Kampf gegen einen guten Gegner. Tharador war der mit Abstand beste Gegner, den er jemals gehabt hatte.
Dergeron musste sich letztlich regelrecht zum Schlafen zwingen, so sehr erregte ihn der Gedanke an das baldige Aufeinandertreffen.
* * *
»Aber warum sollen wir ihn anders behandeln als die übrigen Menschen?«, fragte Wantoi vorsichtig, einer der Clanhäuptlinge, die Ul‘goth in diesen Krieg gefolgt waren.
»Weil ich es sage!«, fuhr Ul‘goth ihn scharf an. »Du wirst ihn zu diesem
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