Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
Elf begann, einige Worte in elfischer Sprache zu murmeln, und steckte die Fingerspitzen in die vom Wasser aufgeweichte Erde. Unablässig wiederholte er denselben Text und bewegte dabei leicht die Finger.
Tharador und Khalldeg beobachteten ihn verdutzt; sie konnten sich nicht vorstellen, was Faeron damit bezweckte.
Sie staunten nicht schlecht, als an der Stelle, an der Faeron die Finger in die Erde gegraben hatte, kleine Grashalme wuchsen. Plötzlich konnte Tharador auch deutlich das Knarren von Ästen hören. Die Bäume um sie herum bewegten sich. Es schien beinahe, als würden sie jeden Augenblick die Wurzeln aus der Erde ziehen, um davonzugehen.
Die Äste der Bäume verschränkten sich über ihren Köpfen und bildeten ein Dach. Aber selbst dadurch ließ sich der Regen nicht aufhalten. Unermüdlich prasselten die Tropfen auf ihre Häupter.
Faeron war die Konzentration anzusehen; er sprach die Formel immer lauter. Und tatsächlich wuchsen an den vorher toten Ästen neue Blätter. Nachdem sie ein Dach hatten, das sie vor dem Regen schützte, wandelte Faeron einige wenige Silben fast unmerklich ab, sodass die übrigen, ebenfalls auf wundersame Weise mit frischen Blättern bewachsenen Äste zu einer Wand um sie herum zusammenwuchsen, die den beißenden Wind aus ihrem neuen Quartier fernhielt.
Zu Tharadors Füßen spross frisches, weiches Moos, zu seiner großen Verwunderung völlig trocken. Überhaupt schien es merklich wärmer geworden zu sein. Sie setzten sich und zogen die nassen Übersachen aus, um sie zu trocknen und sich in ihrem nunmehr behaglich warmen Unterschlupf auszuruhen.
»Ist vielleicht gar nicht schlecht, dass du mitgekommen bist, Elf«, grinste Khalldeg, der seine alte Fröhlichkeit in der wohligen Wärme wieder gefunden hatte.
»Ich konnte doch nicht zulassen, dass der junge Zwergenprinz ertrinkt«, sagte Faeron unbekümmert.
»Das war sehr beeindruckend. Ihr Elfen seid wirklich ein wundersames Volk«, stellte Tharador wieder einmal fest. »War das Zauberei?«
Faeron nickte. »So ähnlich. Es ist unsere Art, uns mit den Pflanzen zu verständigen. Wir sind Teil unserer Umwelt und so, wie wir auf sie reagieren, kann sie es auch auf uns. Aber diese Bäume sind sehr alt, und ihnen dies abzuverlangen, war nicht einfach.«
»Es klappt also nicht immer?«, fragte Tharador neugierig.
»Nein. Bei toten Dingen ist es unmöglich. Und wenn ich sie tagelang besingen würde, sie würden mich nicht hören«, erklärte Faeron.
Tharador betrachtete das seltsam geformte Stück Holz an Faerons Gürtel. Unter diesen neuen Umständen erkannte er, worum es sich handelte. »Das ist ein Bogen, nicht wahr?«
»Gut erkannt. Ja, das ist ein Elfenbogen.«
»Aber wie benutzt du ihn?«
»Es ist kein gewöhnliches Holz. Ich zeige es dir«, fing Faeron zu erklären an. Als er den Bogen aus dem Gürtel zog, begann dieser augenblicklich zu wachsen. Kurz darauf hielt Faeron einen vier Fuß langen, bereits bespannten Bogen in der Hand.
»Was ist das nun wieder für eine Zauberei?«, fragte Khalldeg ungläubig.
»Es ist magisches Holz, derselbe Stoff, aus dem auch meine Rüstung gemacht ist. Im Gegensatz zu euren Bögen müssen wir unsere aber nicht bespannen, die Sehne ist Teil des Bogens und wächst daher mit«, erklärte Faeron.
»Das ist unglaublich«, stammelte Tharador.
»Ja, ihr Elfen habt ein paar ganz schön fiese Tricks auf Lager«, meinte Khalldeg augenzwinkernd. »Aber ohne Pfeile bringt dir der beste Bogen nichts.«
»Die Pfeile sind aus derselben Pflanze und in dieser kleinen Tasche. So kann ich deutlich mehr mit mir tragen und bin beim Schwertkampf trotzdem nicht behindert. Genug davon jetzt, lasst uns noch ein wenig die Wärme genießen.«
Der Bogen schrumpfte, und Faeron befestigte ihn wieder am Gürtel.
Den Rest des Abends sprachen sie sehr wenig. Sie ruhten sich aus, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Tharador faszinierte Faerons Zauberkunst. Der Elf steckte voller Überraschungen. Jedes Mal, wenn er glaubte, etwas mehr von ihm oder dem Volk der Elfen insgesamt zu verstehen, erstaunte ihn Faeron aufs Neue. Der Paladin wagte allmählich zu hoffen, dass ihre Aufgabe nicht unmöglich war. Bald darauf fiel er auf dem weichen Moos liegend in einen erholsamen, traumlosen Schlaf, während außerhalb ihres kleinen Unterstands das Unwetter tobte.
Der Himmel am nächsten Morgen präsentierte sich noch immer wolkenverhangen, aber die Temperaturen waren milder, und es hatte aufgehört zu regnen.
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