Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
sie in den Händen hielt. Dergeron stockte der Atem, als er in der Frau die Diebin aus der Schänke in Totenfels erkannte.
Offen trat er vor sie und hob die Hand zum Gruß: »So treffen wir uns also wieder.«
Sie erschrak – nicht nur, weil sie ihn erkannte, sondern auch, weil sie so vertieft in ihre Untersuchungen war, dass sie ihn nicht kommen gehört hatte. Mit einer fließenden Bewegung ließ sie die Gegenstände verschwinden, bevor Dergeron einen genaueren Blick darauf werfen konnte. Er bemerkte ihren gehetzten Blick, der an den eines in die Enge getriebenen Tieres erinnerte, und beeilte sich zu sagen: »Keine Sorge, ich werde niemandem Euer kleines Geheimnis verraten.«
Ihre Haltung entspannte sich ein wenig, doch sie blieb weiterhin argwöhnisch und musterte ihn eingehend. »Ihr seid keiner der Schergen des Grafen, wie es scheint.«
Dergeron lachte herzlich und setzte sich uneingeladen neben die junge Frau. »Der Graf ist ein bemitleidenswertes Geschöpf«, begann Dergeron. »Einem Mann wie ihm würde ich niemals dienen. Ich würde ihn beherrschen.«
»Große Worte von jemandem, der mit einer einfachen Karawane reist.«
Dergeron lächelte belustigt. »Ich bin ein Gesandter Surdans und werde in Berenth von König Jorgan erwartet.« Kurz setzte er ab, um ihr Verhalten angesichts seiner Worte zu beobachten. Sie zeigte sich ungerührt. »Und wohin seid Ihr unterwegs?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Vorerst Berenth. In Totenfels wurde die Luft allmählich ... etwas ... dick«, erwiderte sie und grinste breit.
»Ihr habt die Stadt doch nicht etwa meinetwegen verlassen?«, fragte der Krieger.
Wieder zuckte sie die Schultern.
»Nun«, begann Dergeron, »bevor Ihr auch die Karawane verlasst ... würdet Ihr etwas mit mir trinken?«
Ihr Gesicht hellte sich auf, und ein neckisches Grinsen umspielte plötzlich ihre Züge: »Ihr wollt mit einer Fremden, von der Ihr wisst, dass sie eine Diebin ist, und deren Namen Ihr noch nicht einmal kennt, den Weinschlauch teilen?«
»Vielleicht besteht gerade darin der Reiz«, gab Dergeron viel sagend zurück. »Doch wenn Euch so viel an Namen liegt – man nennt mich Dergeron.«
»Und mich dürft Ihr Calissa nennen.«
Sie tranken ausgiebig; Dergeron zeigte sich äußerst großzügig. Calissa verabschiedete sich gerade rechtzeitig, bevor ihr der schwere Rotwein zu sehr zu Kopf steigen konnte. Nun saß sie in ihrem eigenen kleinen Zelt und hing ihren Gedanken nach, die dank des Weins nur schleppend durch ihren Geist zogen. Dergeron hätte sie verraten können. Er hatte keinen Grund gehabt, sie ungestraft zu lassen. Wenn er tatsächlich ein Gesandter war, so musste er doch zumindest die Grundsätze des fernen Surdans achten. Sie wusste zwar nicht, wie man dort mit Dieben umging, doch sie bezweifelte stark, dass man Diebe ins eigene Zelt einlud und ihnen dort schöne Augen machte.
Dergeron schien an ihr interessiert zu sein, das konnte der Mann schwer verbergen, allerdings hielt er sich zurück und wahrte den Anstand. Zum einen belustigte es sie, zum anderen fand sie die Möglichkeit reizvoll, nach langer Zeit wieder einmal mit jemandem sprechen zu können, ohne dass es dabei um den Preis für ihre Dienste ging. Die Reise nach Berenth war noch lang; vielleicht würde ein wenig Gesellschaft sie angenehmer gestalten.
Erneute Begegnung
Es war seltsam, wie sein Leben in so kurzer Zeit solch weit reichenden Veränderungen unterworfen wurde. Das Schicksal hatte ihm all seine alten Freunde genommen und ihn auf rollenden Wellen weit von Zuhause weggetragen.
Dennoch war er nicht verbittert darüber.
Neue Freunde waren in sein Leben getreten: Khalldeg, der stolze Zwerg, so voller Zuversicht. Aber der Zwerg besaß auch eine solche Zähigkeit und Zielstrebigkeit, dass Tharador keinen Lidschlag an seinen Worten zweifelte, wenn er sagte, dass er die aufgegebenen Minen zurückerobern würde. Und da war Faeron, der sich immer mehr zu seinem geistigen Mentor entwickelte. Mit seiner inneren Ruhe wurde der Elf zu einem emotionalen Anker für den jungen Paladin. Wann immer Tharador zweifelte oder zögerte, war Faeron zur Stelle und zeigte ihm neue Möglichkeiten. Diese beiden Freunde würden ihn weiter treiben, als er alleine jemals kommen könnte, dessen war er sicher.
Tharador war länger bei den Elfen verweilt, als ihm bewusst war. Die Zeit in Alirions Wald schien eigenen Gesetzen zu folgen, genau wie die Elfen selbst. Seit seinem Aufbruch aus Surdan war bereits mehr als ein Mond
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