Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
kennen. Es ging ihm nur darum, die anderen zum Sprechen zu bringen. Orris warf ihm einen Blick zu, und dann schaute er Melyor erwartungsvoll an. Sie sagte etwas in Orris' Sprache - wahrscheinlich eine Übersetzung der Frage -, und dann schaute sie kurz über die Schulter zu dem Steinträger. »Orris ist hierher gekommen - nach Lon-Ser, meine ich -, damit er mit dem Herrscherrat sprechen und ihn dazu bringen kann, weitere Angriffe auf sein Land zu verhindern«, erklärte sie. »Ich habe ihm erklärt, dass es Cedrych war, der hinter dem ersten Angriff stand, und dass er es ohne Wissen des Rats getan hat. Tatsächlich bin ich nicht einmal sicher, ob Durell es wusste.«
Gwilym schüttelte den Kopf. »Durell?«
»Durell ist der Herrscher von Bragor-Nal.«
»Ich verstehe. Bitte erzähl weiter.«
Melyor zuckte die Achseln. »Nun, ich habe es Orris gesagt, aber das scheint ihn nicht zu interessieren. Er sagt, da der
Rat Lon-Ser beherrscht, sollte er im Stande sein, Cedrych von weiteren Angriffen auf Tobyn-Ser abzuhalten.« »Und, hat er Recht?«
»Wenn das hier eine vollkommene Welt wäre, wahrscheinlich«, sagte Melyor verbittert, »aber wenn man die politische Wirklichkeit des Rats bedenkt, ist es nicht ganz so einfach.«
Gwilym lächelte traurig. »Verzeih, aber ich verstehe diese politische Wirklichkeit nicht besser als Orris.«
Sie seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das bernsteinfarbene Haar. »Ich weiß«, sagte sie und war sichtlich um Geduld bemüht. »Der Rat besteht aus den Herrschern der drei Nals. Aber das weißt du sicher schon, oder?« Gwilym nickte, und sie fuhr fort: »Theoretisch hat jedes Nal eine Stimme, aber tatsächlich hat Bragor-Nal in den meisten Fällen zwei - die von Stib-Nal und seine eigene -, und Oerella-Nal hat eine.«
Gwilym kniff die Augen zusammen. »Wie kann das sein?« »Das ist eine lange Geschichte, die bis zur Zeit der Festigung zurückreicht, aber es lässt sich vielleicht am einfachsten damit erklären, dass die Herrscher von Stib-Nal schon vor hunderten von Jahren ihre Stimme im Rat im Austausch für die weitere Unabhängigkeit ihres Nal verkauft haben. Stib-Nal ist zu klein und zu schwach, um es wagen zu können, sich Bragor-Nal zu widersetzen, also folgen sie unserem Beispiel in beinahe allem.«
»Das heißt also«, warf der Steinträger ein, »dass der Rat nichts tun wird, um Cedrych aufzuhalten, falls Durell von seinem Plan wusste.«
Melyor nickte. »Stimmt. Und selbst, wenn Durell es jetzt noch nicht weiß, wird er bald genug herausfinden, dass Cedrych dahinter steckt, und er wird sich immer noch weigern, ihn aufzuhalten.«
»Wie sollte er es herausfinden?«
Sie lächelte bedauernd. »Dieser Plan - die Initiative, wie wir es nannten - sieht einfach zu deutlich nach einer von Cedrychs Unternehmungen aus. Jeder, der ihn so gut kennt wie Durell, wird das bemerken. Und außerdem gibt es nicht viele in Lon-Ser, die sowohl die Mittel als auch die Dreistigkeit haben, so etwas zu tun.«
Gwilym dachte darüber nach, und Melyor verlangsamte den Transporter und fuhr Spur um Spur näher zur rechten Seite der erhöhten Straße. Offensichtlich machte sie sich bereit, wieder ins Nal hinunterzufahren. Gwilym verstand die Logik hinter diesen kurzen Abstechern in die Gassen der Blocks nicht so recht, aber Melyor sagte, das mache es den Sicherheitskräften des Herrschers schwerer, ihnen zu folgen. Nach allem, was er von den Leuten aus dem Netzwerk über Bragor-Nals Sicherheitsleute gehört hatte, widersprach Gwilym nicht.
»Und, hast du Orris gesagt, was du mir gerade gesagt hast?«, wandte sich Gwilym schließlich wieder dem Gespräch zu.
»Ja, gestern Abend, auf dem Weg zu Jibbs Wohnung.« »Und, hast du ihn überzeugen können?«
Sie nickte. »Ich glaube schon.«
Gwilym grinste. »Nun, dann zurück zu meiner ursprünglichen Frage: Wohin fahren wir?«
Melyor lachte leise. Sie war wirklich schön, wenn sie lachte. »Wir sind auf dem Weg nach Oerella-Nal, um zu sehen, ob wir mit Herrscherin Shivohn sprechen können. Wenn wir sie davon überzeugen können, dass Cedrychs Plan eine Gefahr für ihr Nal darstellt, wird sie uns vielleicht helfen, ihn aufzuhalten.«
»Glaubst du wirklich, dass das möglich ist?«
»Ich bin nicht sicher«, gab sie zu. »Es ist einen Versuch wert. Und nach gestern Abend glaube ich nicht, dass es uns noch viel bringt, weiter in Bragor-Nal zu bleiben.«
Gwilym spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten, und er hatte eine unangenehme
Weitere Kostenlose Bücher