Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
Schreibtisch, wo wie üblich ihr Stab an der Wand lehnte. »Findest du, dass ich mich sehr verändert habe, Jibb?« Sie griff nach dem Stab, drehte sich um und sah den General wieder an. »Glaubst du, dass ich jetzt sehr anders bin als früher, bevor ich Gwilym und Orris begegnet bin?«
Er errötete ein wenig, als sie den Namen des Zauberers erwähnte, und wandte den Blick ab. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich.«
»Es ist schon in Ordnung. Ich will es wissen.«
Wieder sah er sie an, dann holte er tief Luft. »Also gut. Ja, du hast dich verändert. Und zwar sehr.«
»Zum Schlechteren?«
»Ich bin nicht sicher, ob ich dazu etwas sagen kann. Du bist nicht mehr so gnadenlos wie früher. Du kannst dich besser beherrschen. Du bist weiser. Das sind alles gute Dinge.« »Aber?«
Er wandte einen kurzen Moment den Blick ab, und ein verlegenes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Aber du bist auch vorsichtig geworden. Zu vorsichtig. Du bist so damit beschäftigt, alles stets richtig zu machen und dafür zu sorgen, dass absolut nichts die Veränderungen behindert, die du für das Nal planst, dass du ... unentschlossen und manchmal sogar schwach wirkst.«
Sie nickte und versuchte, ihm nicht zu zeigen, wie sehr diese Worte ihr wehtaten. Immerhin hatte sie ihn gebeten, ehrlich zu sein. »Und was ist mit den Veränderungen? Hast du auch dagegen etwas?«
Er verzog das Gesicht. »Ich habe gegen nichts etwas, was du tust, Melyor. Es steht mir nicht zu, und selbst wenn es das täte, würde ich es mir nicht anmaßen. Das solltest du inzwischen wissen.«
»Aber du denkst, es sei keine gute Idee gewesen, das Nal verändern zu wollen.«
»Doch. Ich glaube, das Nal muss sich verändern, wenn es überleben will. Der alte Weg, Cedrychs Weg, hätte uns zerstört. Und wenn wir wirklich daran interessiert sind, den Frieden mit den Zauberern in Tobyn-Ser zu wahren, müssen wir einen anderen Weg finden.«
Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte, und wollte verzweifelt gerne überzeugt sein, dass er die Wahrheit sagte. »Danke«, flüsterte sie. »Das musste ich hören.«
»Deshalb habe ich es nicht gesagt.«
»Ich bin froh, das zu wissen.«
»Wenn ich ganz ehrlich zu dir sein soll, muss ich sagen, dass ich glaube, dass du zu ungeduldig bist. Du kannst neue Gesetze machen und die Leute bestrafen, wenn sie sie brechen, aber du kannst sie nicht dazu zwingen, ihre Haltung zu ändern. Du musst Geduld haben. Die Männer in den Blocks haben ihr ganzes Leben nach einer einzigen Art von Regeln gelebt, und nun hast du diese Regeln verändert. Sie werden einige Zeit brauchen, um sich daran zu gewöhnen. Und einige werden sich nie daran gewöhnen können.«
Sie nickte und schaute wieder aus dem Fenster. »Du hast Recht. Ich werde versuchen, daran zu denken.«
»Aber du hast mir immer noch keine Antwort gegeben«, erinnerte er sie. »Was hat all das damit zu tun, dass du Premel verteidigst?«
Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Er hat mir gesagt, er habe Marar geholfen, weil er glaubte, dass ich das Nal zerstöre. Er sagte, ich würde versuchen, aus Bragor-Nal ein zweites Oerella-Nal zu machen, und er sagte auch, es gäbe andere in der SiHerr, die ähnlich empfinden.«
Jibb nickte widerstrebend. »Das entspricht wahrscheinlich der Wahrheit. Aber es entschuldigt nicht, was er getan hat.« »Nein. Aber vielleicht bedeutet es, dass ich zum Teil für das verantwortlich bin, was geschehen ist. Vielleicht habe ich zu viel von ihnen erwartet.«
»Das ist lächerlich. Premel ist ein Verräter. Er verdient dein Verständnis und deine Schuldgefühle nicht. Und er hat zweifellos nichts getan, um deinen Schutz zu verdienen.« »Das stimmt nicht«, sagte sie. »Er hat dir das Leben gerettet. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.«
Jibb tat diese Bemerkung mit einer Geste ab, aber er sah Melyor dabei nicht an.
»Das kannst du nicht ignorieren, Jibb. Was immer du davon halten magst, was er getan hast, du kannst nicht abstreiten, dass er dich gern hat.«
»Er hat eine seltsame Weise, das zu zeigen«, erklärte Jibb mit gequältem Blick. »Du warst nicht die Einzige, die er verraten hat.«
»In gewisser Weise schon. Denn mir ist vollkommen klar, dass es Marars Befehl war, dich umzubringen, der ihn schließlich bewogen hat, zu mir zu kommen. Hast du in diesen drei Tagen, seit du erfahren hast, was er getan hat, je daran gedacht, wie schwer es ihm gefallen sein muss, es mir zu gestehen?«
Er starrte sie an. »Nein«, gab er schließlich
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