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Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn

Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn

Titel: Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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zwischen den Bäumen Cailins Pferd erspähte, kaum eine Meile entfernt von der Stelle, wo sie angehalten hatten, war er nicht überrascht. Er stieg ab und ging langsam weiter. Das Pferd trank an einem kleinen Wasserfall, und als es Orris hörte, blickte es auf, blinzelte und trank dann weiter. Zunächst konnte Orris Cailin nirgendwo entdecken.
    »Adlermeisterin?«, rief er.
    »Geh weg«, erklang die Antwort aus viel größerer Nähe als erwartet.
    Sie. saß auf einem großen Stein oberhalb des Wasserfalls, die Knie an die Brust gezogen und die Arme darum geschlungen. Das Haar fiel ihr ins Gesicht, ihre Augen waren verquollen und rot vom Weinen. Sie sah sogar noch jünger aus als sonst.
    »Ich werde wieder gehen«, sagte Orris sanft, »wenn du das wirklich willst.«
    Sie sah ihn einen Augenblick an, dann starrte sie wieder auf ihre Knie. »Liebst du mich?«
    Orris hatte nie sonderlich gut über seine Gefühle sprechen können, besonders nicht mit schönen Frauen. Aber diese Frage kam ihm besonders schwierig vor.
    »Nicht so, wie du es meinst«, sagte er schließlich. »Es tut mir Leid.«
    Wieder begann sie zu weinen, wurde von Schluchzern geschüttelt und senkte schließlich die Stirn auf die Knie. Orris schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Jaryd wäre mit einer solchen Situation viel besser zurechtgekommen. Ebenso wie Trahn oder Baden oder wahrscheinlich sogar Sartol. Er ließ sein Pferd ebenfalls trinken und kletterte den kleinen Hügel zu dem Felsen hoch, auf dem sie saß. Ihr Adler hockte ganz in der Nähe und beobachtete Orris mit scharfem Blick, als er sich neben Cailin niederließ. »Es tut mir Leid«, sagte er noch einmal.
    »Ist es, weil ich so viel jünger bin als du?«, fragte die Adlermeisterin mit belegter Stimme.
    »Das gehört mit dazu. Ich bin doppelt so alt wie du.« Sie blickte zu ihm auf. Ihre Wangen waren immer noch tränenfeucht, aber im Augenblick hatte sie aufgehört zu weinen. »Andere lassen sich davon nicht abhalten. Es gibt viele Mädchen in meinem Alter, die Männer heiraten, die sogar noch älter sind als du. So etwas passiert dauernd.« »Das weiß ich, Cailin. Und wie ich sagte, unser Alter ist nur ein Teil davon.«
    »Und was noch?«, wollte sie wissen und wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab. »Liegt es an mir?«
    Er lächelte. »Selbstverständlich nicht. Jeder Mann, der halbwegs bei Verstand ist, würde sich in dich verlieben.«
    Eine einzelne Träne lief ihr über die Wange, aber sie lächelte. »Aha, du bist also verrückt.«
    »Es gibt sicherlich Menschen, die genau das behaupten würden«, sagte Orris lachend. Er holte tief Luft. »Der Grund, wieso ich dich nicht liebe, ist, dass ich bereits eine andere liebe. Das ist nun schon seit Jahren so.«
    Cailin senkte den Blick abermals. »Oh. Das tut mir Leid«, sagte sie leise. »Das wusste ich nicht.«
    »Woher hättest du es auch wissen sollen?«
    Sie saßen einige Zeit schweigend da: Cailin hatte den Blick aufs Wasser gerichtet, das an dem Felsen vorbeifloss, und Orris beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Nach ein paar Minuten spähte er nach Westen, um den Sonnenstand abzuschätzen. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit, bis sie zu den anderen zurückkehren mussten, aber er wollte dieses Gespräch ungern übereilen.
    »Sie ist wahrscheinlich ganz anders als ich, oder?«, fragte Cailin schließlich und seufzte tief.
    »Das ist schwer zu sagen. In einigen Dingen seid ihr euch sehr ähnlich, in anderen...« Er zögerte, dann lächelte er. »In anderen liegen ganze Welten zwischen euch.«
    »Ist sie sehr schön?«
    »Ja.« Er beugte sich vor und spähte ihr ins Gesicht, bis sie seinen Blick erwidern musste. »Ebenso wie du, Cailin.« Sie lächelte schüchtern, dann wandte sie sich wieder ab. »Wie heißt sie?«
    »Melyor.«
    Sie rümpfte die Nase. Das war in Tobyn-Ser kein verbreiteter Name, obwohl Melyor ihm einmal erzählt hatte, dass er für Mädchen im Nal nicht ungewöhnlich war. »Ist sie auch eine Magierin?«
    Wieder zögerte Orris. Er hatte keine Ahnung, wie Cailin darauf reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass Melyor aus Bragor-Nal stammte. Cailins Eltern waren von den Fremden getötet worden, und obwohl sie gut auf seine Enthüllung reagiert hatte, dass er es gewesen war, der Baram nach Lon-Ser zurückgebracht hatte, und sich offenbar trotz dieser Tatsache in ihn verliebt hatte, war dies eine ganz andere Geschichte. Dennoch, er glaubte, ihr die Wahrheit schuldig zu sein.
    »Nein«, sagte er. »Sie ist keine Magierin.

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