Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
hatten.
»Wir wechseln uns mit der Wache ab«, hatte Horace vorgeschlagen. »Will ist erschöpft und braucht eine anständige Nachtruhe, um wieder zu Kräften zu kommen.«
Der Heiler hatte sofort zugestimmt. Will hatte unter außergewöhnlicher Anspannung gestanden und konnte einen guten Nachtschlaf ohne Unterbrechung gebrauchen. Erschöpft wie er war, hatte Will es dennoch abgelehnt, schlafen
zu gehen, bevor es nicht irgendein Anzeichen gab, dass Walt auf dem Wege der Besserung war. Walts Atmung war schließlich tief und gleichmäßig geworden und es war sogar etwas Farbe in seine Wangen zurückgekehrt. Und als Malcolm seinen Arm untersuchte, sah er fast wieder normal aus. Die Schwellung war gänzlich zurückgegangen und um den Kratzer herum waren keine Hautverfärbungen mehr zu sehen, ja es bildete sich bereits Wundschorf.
Bacari lag da und beobachtete alles unter den Wimpern hervor, während die Nacht fortschritt. Er merkte, wie seine eigene Kraft zurückkehrte, je länger das Gegenmittel das Gift in seinem Körper bekämpfte. In den frühen Morgenstunden hatte Malcolm Horace geweckt, denn er sollte die letzte Wache übernehmen. Bacari wartete etwa eine Stunde, während der junge Krieger nach vorne gebeugt in der Nähe des Feuers saß und von Zeit zu Zeit ein Gähnen unterdrückte. Denn auch Horace war müde. Die letzten Tage waren nervenaureibend gewesen und er hatte nicht viel geschlafen. Das machte sich jetzt in seiner zweiten Nachtwache bemerkbar. Er wechselte die Stellung und atmete tief durch. Dann blinzelte er schnell nacheinander, rieb sich die Augen und zwang sich, sie weit aufzureißen.
Nach kurzer Zeit sackten seine Schultern jedoch schon wieder nach vorne und seine Lider sanken erneut nach unten. Er stand auf und ging einige Minuten auf und ab, dann kehrte er zurück und setzte sich wieder.
Und dann nickte er ein. Er schlief nicht richtig und jedes kleine Geräusch würde ihn sofort wecken. Aber Bacari machte kein Geräusch.
Will hatte ihm wieder die Daumenschlingen und die Fußfesseln
angelegt, nachdem Malcolm das Gegenmittel verabreicht hatte. Ganz langsam und vorsichtig streckte Bacari seine zusammengebundenen Hände nach unten, bis er die Ferse seines angewinkelten rechten Fußes erreichte. Er drehte die Hacke des Stiefels und mit einem leisen Klicken sprang eine kurze scharfe Klinge aus einem Schlitz. Vorsichtig drückte er die Lederschnüre dagegen und bewegte sie immer hin und her. Mehrere Male verfehlte er die kurze Klinge, einmal musste er die Zähne zusammenbeißen, als er sich versehentlich selbst schnitt. Doch nach einiger Zeit hatte er die Fesseln durchgeschnitten und seine Hände waren frei.
Er wartete einige Minuten, um sicherzugehen, dass Horace nicht durch ein Geräusch oder eine unachtsame Bewegung hochgeschreckt war. Doch die breitschultrige Gestalt kauerte weiter vornübergebeugt am Feuer und die Schultern hoben und senkten sich gleichmäßig mit den Atemzügen.
Bacari holte langsam und vorsichtig die Hände nach vorne und zog die Knie bis zum Kinn. Er tastete im Dunkeln nach den Fußfesseln und löste die Knoten. Jetzt war er frei.
Aber er wartete noch, bis das Blut überall richtig zirkulierte, und ging in Gedanken seine nächsten Schritte durch.
Zuerst würde er Horace töten. Das Werkzeug dazu hatte er. Dann würde er dessen Dolch nehmen – mit einem Schwert konnte er nicht umgehen – und die beiden kleinen Pferde abstechen. Anschließend würde er sich auf das größere Pferd schwingen und davonreiten.
Vielleicht würde er später zurückkehren, um die anderen beiden Männer zu töten. Vielleicht aber auch nicht. Bacari
sah das ganz leidenschaftslos. Er würde die Rache an Will und Malcolm genießen, doch wenn er sich dadurch in eine ungünstige Lage oder gar in Gefahr brächte, würde er auf dieses Vergnügen verzichten. Er war schließlich von Berufs wegen ein Mörder, und das Töten aus Rache brachte keinen Gewinn. Falls allerdings Tennyson bereit war, ihm dafür etwas extra zu bezahlen …
Während er darüber nachdachte, bereitete er sich für seinen Angriff vor. Sein Umhang wurde am Hals mit einer Kordel zusammengehalten. Vorsichtig löste er den Knoten an einem Ende und zog die Kordel heraus, die etwa eine Armlänge maß. Er wickelte sie um beide Hände und hatte auf diese Weise eine Schlinge. Geschmeidig wie eine Katze ging er in die Hocke und schlich an Horace heran.
Horace schreckte hoch, als er spürte, wie sich etwas um seine Kehle legte. Er
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