Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)
Augenschlitz in der Rüstung heraus zu beobachten, wenngleich keine Augen zu sehen waren. Dann hörte Will die Stimme. Sie war tief und hatte ein Echo wie in einer großen Höhle.
»Nimm dich in Acht, Sterblicher! Erwecke nicht den Geist des Kriegers der Nacht. Verlasse diesen Ort! Tu es jetzt, solange du noch die Gelegenheit dazu hast!«
Beim Klang der Stimme sprang die Hündin auf und knurrte. Will beruhigte sie mit zitternder Stimme. »Still!«, krächzte er, und sie folgte aufs Wort, wenn auch mit gesträubten Nackenhaaren. Will hatte das Gefühl, seine eigenen Nackenhaare sträubten sich ebenfalls. Die Umrisse über dem Sumpf nahmen immer mehr Gestalt an, es war, als zögen sie Kraft aus dem Nebel. Diesmal war die Stimme noch lauter als vorher.
»Geh! Geh, solange du noch kannst! Geh!«
Das letzte Wort hallte nach, und Will wich unwillkürlich ein Stück zurück, weg von dem Sumpfloch und dieser unheimlichen Gestalt. Er stolperte über eine Baumwurzel, blickte nach unten, und als er wieder aufsah, war der Krieger der Nacht verschwunden.
Einfach so. Von einem Moment zum nächsten, so wie eine Kerze erlischt. Will blickte sich ängstlich um und fragte sich, wo der Geisterkrieger wohl als Nächstes auftauchen
würde. Da ertönte die Stimme erneut. Diesmal war sie leiser und es waren keine Worte. Nur ein tiefes, bösartiges Lachen. Ein Lachen, das verriet, dass sein Besitzer Wills Angst kannte und von der eigenen Macht über ihn wusste. Die Hündin knurrte wieder.
Da verließ Will der restliche Mut.
Er drehte sich um und rannte, so schnell er konnte, aus dem Wald hinaus. Die Hündin rannte an ihm vorbei und zeigte ihm den Weg, bis er schließlich den nächtlichen Himmel und die Sterne über sich sah. Erst als Will wieder auf dem breiten Weg angekommen war, blieb er stehen. Sein Atem zeichnete sich in kleinen Wölkchen vor ihm ab und sein Herz schlug doppelt so schnell. Er wartete noch einen Moment, bis sein Atem wieder gleichmäßig ging, dann machte er sich auf den Rückweg.
Als sich vor ihm die Umrisse von Burg Macindaw gegen den nächtlichen Himmel erhoben, schien sie ihm sehr viel einladender als bei seiner Ankunft. Die Fackel am Tor war ein willkommenes Licht in der Finsternis, und Will eilte darauf zu, heilfroh, gleich in der Sicherheit der Burgmauern angekommen zu sein.
D ie restliche Nacht schlief Will ziemlich schlecht und träumte vom Krieger der Nacht. Erst gegen Morgen fiel er in einen tiefen Schlaf, wurde jedoch bereits kurz darauf von den Geräuschen morgendlicher Geschäftigkeit in der Burg geweckt.
Einen Augenblick lang lag er noch auf dem Bett und fragte sich, ob er die schreckliche Nachtgestalt wirklich gesehen hatte oder ob es nur ein Albtraum gewesen war. Während er sich gähnend streckte und dehnte, kam er zu dem Schluss, dass es kein Trugbild gewesen war. Die Hündin, die nahe dem Kamin auf den warmen Fliesen lag, stellte die Ohren auf und wedelte zur Begrüßung mit dem Schwanz.
»Du hast es gut«, seufzte Will. »Du weißt wahrscheinlich gar nicht, wie unheimlich das gestern Nacht war.«
Er öffnete den Fensterladen und sah in den neuen Tag hinaus. Die Morgensonne ließ die schneebedeckte Landschaft erstrahlen. Will musste sich noch einmal Gedanken über die Ereignisse der letzten Nacht machen, solange er alles gut in Erinnerung hatte. Er musste versuchen, eine vernünftige Erklärung dafür zu finden. Doch
außer der Erkenntnis, dass er diese Gestalt tatsächlich gesehen und die Stimme wirklich gehört hatte, fiel ihm nichts weiter dazu ein.
Im Grimsdellwald ging etwas Unheimliches vor sich. Will stieß einen tiefen Seufzer aus. Er dachte an Walts Unterweisung und an dessen Überzeugung, dass es in den allermeisten Fällen unheimlicher Vorkommnisse eine einfache Erklärung dafür gab.
»Ich werde wohl zurückgehen und herausfinden müssen, was genau es damit auf sich hat«, sagte er leise. Der Gedanke stimmte ihn nicht gerade fröhlich.
Es war nicht überraschend, dass er kaum Appetit hatte. Trotzdem schaffte er es, eine Scheibe warmes Brot zu verzehren. Als er seine zweite Tasse Kaffee fast ausgetrunken hatte, war er einigermaßen munter. Da er keine Gesellschaft suchte, saß er allein an einem der langen Tische in der Halle, abseits von den kleinen Grüppchen, die sich zusammengefunden hatten und sich angeregt unterhielten. Dort fand ihn schließlich auch der Page.
»Bist du der Musikant?«, fragte er geradeheraus. Er war alt für einen Pagen. Er musste schon Anfang
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