Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
sagte er nur.
Der Nordländer schaute über das offene Land zur Burg. In der Ferne war undeutlich eine Bewegung zu erkennen. Er drehte sich zu Will um, aber der lief bereits in den Wald hinein zur Stelle, wo sie den Hinterhalt geplant hatten. Schnell folgte der Nordländer ihm. Wie zuvor Horace war er beeindruckt, dass Will sich beinahe unsichtbar machen konnte, wenn er sich bewegte.
Horace wartete hinter der nächsten Kurve, nach der das lange Wegstück begann. Auch er zuckte erschrocken zusammen, als Will unvermittelt wie aus dem Boden gewachsen neben ihm stand.
»Mach so was nicht!«, fuhr er ihn wütend an. Als er den verblüfften Gesichtsausdruck seines Freundes sah, erklärte er: »Du weißt doch, dass wir dich nicht kommen hören. Also mach wenigstens irgendein Geräusch, damit wir wissen, dass du da bist!«
»Entschuldige«, sagte Will. »Die Skotten sind auf dem Weg.«
Horace nickte und drehte sich um. »Gundar! Habt Ihr das gehört? Sie kommen!«
Zwischen den Bäumen gab es einige Bewegung und Will sah schattenhafte Gestalten am Wegesrand in Stellung gehen. Er nickte zufrieden, weil die Nordländer auf Horace’ Anweisungen hin ihre großen gehörnten Helme abgenommen hatten. Nichts würde einen Hinterhalt schneller auffliegen lassen als der Anblick dieser riesigen Hörner im Gebüsch.
»Geht klar«, antwortete Gundar, »wir haben verstanden. Wie lange dauert es noch, bis sie hier sind?«
Horace blickte fragend zu Will, der für ihn antwortete.
»Höchstens zehn Minuten. Geht in Stellung. Und dann bewegt euch nicht mehr!« Er überlegte, wie er seiner Anweisung Nachdruck verleihen konnte und fügte hinzu: »Bei Gorlogs Zähnen und Bart, verstanden?«
Gundar grinste. »Schön zu hören, dass Ihr unsere Sprache lernt. Keine Sorge, wir haben schon manchen Hinterhalt vorbereitet.« Er bedeutete den fünf Männern auf der anderen Seite des Weges, ihre Plätze einzunehmen, dann ging er mit den restlichen vieren in Stellung. Bevor sie hinter den Bäumen verschwanden, rief er den anderen leise zu: »Wenn irgendjemand einen Laut von sich gibt, hau ich ihm den Schädel ein, verstanden?«
Im Chor war das gehorsame Gemurmel seiner Männer zu hören, ehe die Nordländer hinter Büschen und Bäumen in Deckung gingen.
»Vergesst nicht«, sagte Will, »wir wollen den Anführer lebend. Sein Gesicht ist zur Hälfte mit blauen Streifen bemalt.«
»Wie anziehend«, sagte Horace.
Will sah ihn strafend an. »Und er trägt ein langes Breitschwert«, fügte er hinzu.
Horace stieß leise einen gespielten Schreckensruf aus.
»Nicht ganz so anziehend«, bemerkte er.
Will beschloss, ihn einfach nicht zu beachten.
Gundar tauchte noch einmal aus dem Gebüsch auf wie ein an die Oberfläche kommender Wal.
»Also schnappen wir uns dieses Blaugesicht lebend«, sagte er. »Aber es bricht niemandem das Herz, wenn ein paar seiner Männer dabei draufgehen, oder?«
»Ich vermeide gern jegliches Blutvergießen«, antwortete Will. Aber ihm war klar, dass die Dinge in solchen Situationen selten so liefen wie geplant. »Tut einfach, was ihr könnt«, sagte er. »Wartet, bis ihr hört, wie ich sie zum Stehenbleiben auffordere. Gebt ihnen einen Moment, bis sie mich verstanden haben, dann sperrt ihnen die Rückzugsmöglichkeit ab. Wenn wir das gut hinbekommen, werden sie sich vielleicht kampflos ergeben.«
Er sagte das mehr, um sich selbst zu überzeugen. Gundars Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel, dass er jedenfalls nicht überzeugt war.
»Mag sein«, meinte er skeptisch, »aber wenn sie auch nur den Anschein machen, als wollten sie kämpfen, schlagen wir zu.«
Will nickte. Mehr konnte er nicht verlangen. Er konnte nicht erwarten, dass die Nordländer unnötige Risiken eingingen, weil er selbst Blutvergießen vermeiden wollte.
»In Ordnung«, antwortete er. »Und jetzt zurück in Deckung, bevor sie hier sind.«
Gundar verschwand im Unterholz und wieder erinnerte er Will an einen tauchenden Wal. Doch er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn Horace versetzte ihm einen Knuff.
»Gehen wir«, sagte er kurz und marschierte los.
Horace ging noch einige Schritte weiter in den Wald hinein, um sich zu verstecken. Will blieb am Wegesrand stehen und zog die Kapuze über den Kopf. Den Bogen hielt er in der linken Hand, die Pfeile griffbereit.
Er drehte den Kopf und lauschte. Es dauerte nicht lange, da hörte er auch schon die weichen, knirschenden Geräusche von Stiefeln auf dem trockenen Schnee. Reglos blieb er neben
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