Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
»hast du je versucht, Hartholz mit einem einzigen Stück Brennholz in Brand zu stecken? Sehr wahrscheinlich werden die Pfeile das Holz ein wenig ansengen, aber sie werden erlöschen, bevor sich das Feuer wirklich ausbreiten kann.«
»Sehr wahrscheinlich?«, wiederholte Horace. »Nur sehr wahrscheinlich?«
Will bemühte sich um Geduld. »Was willst du denn machen, Horace? Hinausrennen, die Pfeile rausziehen und dann den Männern auf der Burg zuwinken?«
Horace sah verlegen drein. »Natürlich nicht«, antwortete
er. »Aber ganz bestimmt will ich auch nicht unter einem brennenden Karren begraben sein.«
»Der Karren wird nicht brennen. Vertrau mir«, sagte Will. Als er merkte, dass seine Worte keinen großen Eindruck machten, fuhr er fort: »Und wenn doch, dann haben wir immer noch Zeit rauszurennen. Aber jetzt hat das noch keinen Sinn. Was meinst du, wie es uns geht, wenn wir unseren Plan aufgeben und dann im Wald sitzen und zusehen, wie das Feuer wieder erlischt?«
»Na ja, wenn du meinst …«, brummte Horace. Wills Überlegungen klangen durchaus vernünftig, aber mehr noch überzeugte Horace die Tatsache, dass der Rauch nicht mehr zugenommen hatte. Er legte die Hand gegen die Bretter, unterhalb der Stelle, wo einer der Pfeile eingeschlagen war. Das Holz fühlte sich nicht wärmer an als die anderen Wagenteile.
Noch zwei weitere brennende Pfeile trafen den Wagen, und wie die ersten beiden verloschen sie bald, ohne Schaden anzurichten. Als die Bogenschützen sahen, dass ihre Pfeile nichts ausrichteten, gaben sie die Versuche auf.
Der Nachmittag ging zu Ende und das Licht nahm immer mehr ab, bis die fahle Wintersonne hinter den Bäumen unterging. Horace zog seine Jacke enger um sich. Es war kalt, wenn man stundenlang bewegungslos dasitzen musste.
»Wie lange noch?«, fragte Horace.
»Ein bisschen weniger lang als das letzte Mal, als du
gefragt hast«, antwortete Will. »Du bist ja fast genauso schlimm wie Gundar mit seinem dauernden: ›Sind wir bald da?‹«
»Ich kann nicht anders«, murrte Horace. Ich mag einfach nicht herumsitzen und gar nichts tun.«
»Denk dir einfach ein Gedicht aus«, schlug Will spöttisch vor.
»Was für ein Gedicht?«, fragte Horace, dem jede Ablenkung willkommen war.
»Einen Schüttelreim«, antwortete Will ungeduldig. »Das wäre doch was für dich.«
»Ja. Gute Idee«, sagte Horace und seine Stimmung hob sich. »Das lenkt mich bestimmt ab.« Nachdenklich verzog er das Gesicht. Seine Lippen bewegten sich lautlos.
»Ich habe aber nichts, um es aufzuschreiben«, beschwerte er sich.
Will, der halb eingenickt war, riss die Augen auf.
»Was?«, fuhr er Horace schlecht gelaunt an. »Was aufzuschreiben?«
»Meinen Reim. Wenn ich ihn nicht aufschreibe, vergesse ich ihn vielleicht.«
»Hast du ihn dir denn schon ausgedacht?«
»Na ja, ich habe die erste Zeile«, sagte Horace vage. Schüttelreime zu verfassen war schwerer, als er gedacht hatte. »Es gab einstmals die Burg Macindaw …« fing er an. »Das ist die erste Zeile«, fügte er hinzu.
»Aber die kannst du dir doch bestimmt merken?«, sagte Will.
Horace nickte zögernd. »Na ja, schon. Wenn ich zwei oder drei oder vier Zeilen habe, dann wird es schwerer. Vielleicht kann ich sie ja dir erzählen, und du merkst sie dir«, schlug er vor.
»Bitte nicht«, sagte Will und verkniff sich eine weitere Bemerkung.
Horace zuckte mit den Schultern. »Auch recht. Wenn du mir nicht helfen willst.«
»Will ich nicht.«
Horace entging nicht, dass Wills Antworten immer knapper wurden.
»Na gut, dann eben nicht«, sagte er leicht beleidigt. Seine Lippen bewegten sich wieder. Dann hielt er inne und schloss die Augen. Das ging vielleicht fünf Minuten so weiter, und je mehr Will versuchte, nicht auf Horace zu achten, desto mehr faszinierten ihn seine Grimassen. Schließlich merkte der junge Ritter, dass sein Freund ihn beobachtete.
»Was reimt sich auf Macindaw?«, fragte er.
W ährend der Abend in die Nacht überging, wurde Horace immer unruhiger, denn er langweilte sich entsetzlich. Ständig wechselte er die Stellung und unablässig seufzte er. Will tat so, als sähe und hörte er nichts. Das ärgerte Horace, der genau merkte, dass sein Freund ihn absichtlich missachtete.
Schließlich, nach einem besonders ausgedehnten Seufzer, gefolgt von einem ausgiebigen Dehnen und Schulterrollen, konnte Will sich nicht länger beherrschen.
»Es ist ein Jammer, dass du keine Trompete mitgebracht hast«, sagte er. »Damit könntest du
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