Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
gefühlt haben, dachte er verwirrt. Er sah, dass Buttle wieder das Schwert schwang, und hob unwillkürlich den Arm, um den Schlag abzuwehren.
Die Schwertspitze traf den Unterarm, durchschnitt Muskeln und Fleisch bis auf die Knochen. Trobar schrie vor Schmerzen auf, während Buttle das Schwert
wütend zurückzog. Er hatte auf das Herz des Riesen gezielt, doch Trobars Abwehr hatte diesen Treffer vereitelt.
Das nächste Mal kommst du mir nicht davon, dachte er.
Doch es gab kein nächstes Mal. Als er mit dem Schwert ausholte, stieß Horace es mit seiner eigenen Klinge zur Seite. Und nun lernte John Buttle echte Schwertkunst kennen.
Verzweifelt stolperte er unter Horace’ blitzschnellen und stets wechselnden Attacken zurück, wusste nie, wohin der nächste Schlag zielte oder aus welcher Richtung er kam. Horace’ Schwert glich im Schein der Fackeln einem blitzenden Lichtrad, und er ließ Buttle keine Gelegenheit zu einem Gegenangriff und kaum genug Zeit, um sich zu verteidigen.
Buttle hielt das Schwert jetzt in beiden Händen. Er war entsetzt über die Wucht hinter den mit einer Hand geführten Schlägen, die dennoch scheinbar ohne die leiseste Anstrengung erfolgten. Jeder einzelne Schlag stauchte Buttles Hände, Gelenke und Arme. Er wusste, dass er diesen Mann niemals schlagen konnte, und so wählte er den einzigen Weg, der ihm einfiel.
Er sprang zurück und ließ sein Schwert fallen, das laut auf dem Boden aufschlug.
Dann warf er sich auf die Knie und streckte die Hände weit vor.
»Gnade!«, schrie er heiser. »Bitte! Ich ergebe mich! Gnade, ich flehe Euch an!«
Horace hatte bereits ausgeholt. Er verzog das Gesicht vor Anstrengung, den Schlag im letzten Moment abzuwenden.
Buttle hatte sich geduckt. Als dann der Schmerz nicht kam, wagte er es, den Kopf zu heben, und sah Horace über sich stehen, einen Ausdruck der Abscheu im Gesicht.
»Du wertloses Stück Dreck«, knurrte Horace. Er sah zu Trobar, der in einer großen Blutlache auf dem Boden lag. Und er erinnerte sich an alles, was Gundar und Will ihm von Buttle erzählt hatten. Mit einer raschen Bewegung steckte er das Schwert in die Scheide. Er sah die Hoffnung in den Augen des knienden Mannes, Hoffnung, gepaart mit List und Eigennutz.
Feiglinge und Raufbolde sind doch alle gleich, dachte Horace. Er erinnerte sich an eine Zeit in der Heeresschule, wo ihm drei heimtückische Kerle das erste Lehrjahr zur Hölle gemacht hatten.
In einem plötzlichen Anfall von Wut packte er Buttle am Hemd und zog ihn auf die Füße. Gleichzeitig versetzte er ihm einen heftigen Kinnhaken.
Buttle schrie auf, als er merkte, wie sein Kiefer nachgab. Ihm wurde schwarz vor Augen und seine Beine knickten ein. Horace ließ ihn los und Buttle fiel zu Boden. Mit einem Kopfschütteln machte Horace kehrt und eilte zu Trobar.
Der Riese war am Leben, hatte jedoch unglaublich viel Blut verloren. Vorsichtig drehte Horace ihn auf die Seite. Bittere Erfahrung hatte ihn gelehrt, stets Verbandszeug
mit sich zu führen, wenn er in eine Schlacht zog. Das befand sich in einer Tasche auf der Rückseite seines Gürtels. Er holte ein sauberes Stück Stoff heraus, das er gegen die Wunde in Trobars Brust drückte, und machte es dann mit Trobars Gürtel fest. Der Verband färbte sich sofort rot, doch zumindest war die Blutung gestoppt. Trobars Augen waren weit aufgerissen und er sah Horace angstvoll an. Horace zwang sich zu einem Lächeln.
»Keine Sorge«, sagte er. »Das kommt schon wieder in Ordnung.«
Trobars Lippen bewegten sich lautlos.
»Nicht sprechen! Ruh dich aus. Malcolm macht dich wieder gesund«, versicherte ihm Horace. Er hoffte, seine eigenen Zweifel verrieten ihn nicht. Die Wunde war tief. Malcolms Geschick würde hier auf die Probe gestellt werden.
Trobar versuchte es wieder. Diesmal schaffte er ein heiseres Krächzen. Horace sah die Furcht in seinen Augen. Und auf einmal wurde ihm klar, das Trobar gar nicht ihn ansah. Er blickte an ihm vorbei!
Horace wirbelte herum. Buttle stand mit geschwollenem Gesicht hinter ihm, Blut lief aus seinem Mund. Aber er hatte sein Schwert mit beiden Händen hochgestemmt. Hass stand in seinen Augen. Hass und Triumph. In der nächsten Sekunde würde Horace tot sein.
Doch diese Sekunde gab es nicht. Mit einem dumpfen Wumm-wumm-wumm kam Gundar Hardstrikers
Axt herangesaust und traf Buttle im Rücken. Er grunzte vor Schmerz und verdrehte die Augen. Das Schwert fiel zu Boden, als er unter der Wucht des Treffers taumelte. Fieberhaft versuchte er, hinter
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