Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
stark, dass sie nicht mehr gegen ihn ankam.
»Anscheinend kennt sie Euch nicht«, sagte Keren freundlich.
Will sah Alyss an. Sie schien völlig normal zu sein, wenn man davon absah, dass ihre ganze Aufmerksamkeit auf diesen blauen Stein gerichtet war. Seine Zuversicht sank, als ihm klar wurde, was da vor sich ging. Es war der blaue Stein, von dem sie ihm erzählt hatte – der Stein, mit dessen Hilfe Keren ihren Geist beherrschte.
Aber was war mit dem Stellatit? Alyss hatte ihm doch berichtet, dass er ihr geholfen hatte, die Macht des blauen Steins zu brechen.
Einen Moment lang hegte Will die verrückte Hoffnung, dass sie ihnen etwas vorspielte, dass sie nur vorgab, dem Bann des Steins erlegen zu sein, um Keren in falscher Sicherheit zu wiegen.
Er blickte sich besorgt im Raum um und sah einen winzigen, schimmernden schwarzen Stein unter dem Tisch liegen. Es war der Stellatit. Wills Hoffnung schwand.
»Es ist vorbei, Keren«, sagte er so entschlossen wie nur möglich. »Ihr habt verloren. Dieser Abschaum,
den Ihr angeheuert habt, kann sich gegen Nordländer nicht behaupten.«
Keren zuckte mit den Schultern. »Ich fürchte, damit könntet Ihr recht haben«, sagte er. »Aber wo, um alles in der Welt, habt Ihr Nordländer aufgegabelt, die Euch helfen?«
»Fragt Euren Freund Buttle. Im Grunde genommen hat er sie hierher gebracht. Warum macht Ihr die Angelegenheit nicht einfacher für uns beide und ergebt Euch?«
Keren lachte. »Ob Ihr es glaubt oder nicht, ich habe kein Interesse daran, die Dinge für Euch einfacher zu machen! Ich denke, ich verabschiede mich lieber.«
»Ihr geht nirgendwohin. Ihr habt zwei Möglichkeiten: Ihr könnt Euch auf der Stelle ergeben oder ich erschieße Euch mit diesem Pfeil. Ehrlich gesagt, ist es mir egal, wofür Ihr Euch entscheidet.«
»Ergeben? Und was dann?«
Will zuckte mit den Schultern. »Ich kann nicht viel mehr als ein gerechtes Gerichtsverfahren versprechen.«
»Das damit endet, dass ich gehängt werde«, sagte Keren trocken. Will verspürte wieder ein gewisses Unbehagen. Keren wirkte viel zu entspannt. Entweder er hatte etwas in der Hinterhand oder er war ein geschickter Schauspieler.
»Wisst Ihr«, fuhr Keren jetzt im Plauderton fort, »es gibt noch ein interessantes Detail hinsichtlich dieses blauen Steins und seiner Wirkung. Wenn Alyss ihre
Sinne wieder beisammenhat, wird sie sich an nichts erinnern, was sie kurz zuvor gesagt oder getan hat … nicht wahr, Alyss?«, rief er ihr jetzt zu. »Du wirst dich an nichts erinnern!«
»Ich werde mich an nichts erinnern«, wiederholte Alyss gehorsam.
»Das wird kein Trost für Euch sein, wenn Ihr tot seid«, entgegnete Will.
Keren hob mahnend den Finger. »Aaah, seht Ihr, das ist es ja. Ich bin nicht sicher, ob mein Tod den Bann aufheben würde … oder ob sie nicht vielmehr lebenslänglich damit geschlagen ist.«
Will lächelte und versuchte zuversichtlicher auszusehen, als er sich fühlte. »Ich würde darauf wetten, dass er aufgehoben wird.«
»Mag sein.« Keren schwieg und sah nachdenklich drein. »Angenommen, Ihr habt recht. Wie würde es der guten Alyss wohl ergehen, wenn sie ihren besten Freund ermordet hat?«
Will runzelte die Stirn. »Wovon redet Ihr da, Keren?«
Der Ritter zuckte mit den Schultern. »Nun ja, sie wird einsehen müssen, dass sie selbst es getan hat. Denn sie wird über Euch gebeugt stehen und das Schwert wäre mit Eurem Blut befleckt und Ihr lägt tot zu ihren Füßen. Ich frage mich, wie sie damit wohl zurechtkommen würde.«
»Also gut, das reicht jetzt.« Will hob den Bogen und zielte auf Kerens Brust. »Ihr habt fünf Sekunden, um
Euch zu ergeben. Oder fünf Sekunden, bis Ihr sterbt. Es ist allein Eure Entscheidung.«
Aus dieser Nähe würde der Pfeil auch das Kettenhemd durchdringen.
»Alyss?«, sagte Keren.
»Ja, Keren?«, antwortete sie.
»Töte den Waldläufer.«
A lyss wandte den Blick einen Moment von dem blauen Stein und sah Keren an.
»Natürlich«, sagte sie einfach. Ihr gleichmütiger Ton schmerzte Will. Schnell fasste sie das Schwert mit beiden Händen, und zwar so, dass sie noch den blauen Stein sehen konnte. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Will. Nichts deutete darauf hin, dass sie ihn erkannte. Für sie zählte nur der Gehorsam gegenüber Kerens Befehl. Sie machte einen Schritt auf Will zu und hob das Schwert, um ihm damit einen tödlichen Schlag zu versetzen.
Will legte an und zielte auf Alyss. Er sah, wie sie verwundert die Stirn runzelte.
»Halt
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