Die Chroniken von Araluen - Die brennende Brücke: Band 2 (German Edition)
das jetzt nur sagte, um die beiden Banditen zu täuschen. Will deutete ein Nicken an.
»Gegen Sonnenuntergang bin ich wieder zurück«, fuhr Gilan laut fort. »Seht zu, dass ihr dann etwas Warmes für mich zu essen bereithabt.«
Er schwang sich in den Sattel und winkte Will zu sich. Als der Junge nahe genug war, beugte er sich zu ihm hinunter und flüsterte: »Lass die beiden zusammengebunden und macht euch gegen Sonnenuntergang auf den Weg. Irgendwann wird es ihnen schließlich gelingen, sich zu befreien, aber dann müssen sie erst ihre Stiefel und Kleidung zurückholen. Ohne sie kommen sie in diesen Bergen nicht weit. Das verschafft euch einen Tag Vorsprung, sodass ihr vor ihnen in Sicherheit seid.«
Will nickte. »Verstehe. Gute Reise, Gilan.«
Der Waldläufer nickte. Er schien noch einen Augenblick zu zögern, dann fasste er einen Entschluss. »Will«, fügte er leise hinzu. »Wir haben unsichere Zeiten und keiner von uns weiß, was hinter der nächsten Ecke lauert. Es könnte ratsam sein, Horace Reißers Kennwort zu verraten.«
Will runzelte die Stirn. Das Kennwort war ein sorgsam gehütetes Geheimnis, und ihm gefiel der Gedanke nicht, es irgendjemanden wissen zu lassen, selbst wenn es ein guter Kamerad wie Horace war, dem er absolut vertraute. Gilan bemerkte sein Zögern und fuhr fort: »Man weiß nie, was geschieht. Du könntest verletzt werden oder anderweitig behindert sein und ohne das Kennwort wird Reißer Horace nicht gehorchen. Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme«, fügte er hinzu.
Will sah ein, dass es ein sinnvoller Vorschlag war, und nickte. »Ich verrate es ihm noch heute Nacht«, versprach er. »Passt auf Euch auf, Gilan.«
Der junge Waldläufer beugte sich zu ihm und drückte fest seine Hand. »Noch ein Letztes: Du hast jetzt die Verantwortung und die anderen werden dir folgen. Lass dir nie eine Unsicherheit anmerken. Glaub an dich selbst und sie werden auch an dich glauben.«
Gilan lenkte sein Pferd auf den Pfad, hob, zu Horace und Evanlyn gewandt, grüßend die Hand und galoppierte davon. Der aufgewirbelte Staub der Pferdehufe wurde schnell vom Wind verweht.
Mit einem Mal fühlte Will sich sehr klein und sehr allein.
I n der folgenden Nacht ritten sie, so schnell sie konnten. Etwas aufgehalten wurden sie durch das Packpony, das lediglich einen gemächlicheren Schritt schaffte, da es nun außer dem Gepäck auch noch Evanlyn trug.
Während der Nacht fing es wieder an zu regnen, was den Ritt noch unangenehmer machte. Etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang ließ der Regen nach, sodass die ersten Sonnenstrahlen im Osten den Himmel matt perlmuttfarben zeichneten. Mit zunehmendem Licht begann Will, sich nach einem passenden Lagerplatz umzusehen.
Horace bemerkte seinen suchenden Blick. »Warum reiten wir nicht noch ein paar Stunden weiter?«, schlug er vor. »Die Pferde sind noch nicht erschöpft.«
Will zögerte. Während der Nacht hatten sie niemanden gesehen und auch kein Anzeichen von Wargals in der Nähe wahrgenommen. Aber er wollte dennoch nicht gegen Gilans Rat handeln. In der Vergangenheit
hatte er festgestellt, dass die Ratschläge der erfahrenen Waldläufer stets sinnvoll und weise waren. Schließlich wurde ihm die Entscheidung abgenommen, als sie um eine Kurve kamen und ein Unterholz vor sich sahen. Es bot einen dichten Schirm, der sie sowohl vor dem Wind als auch vor feindlichen Blicken schützen würde.
»Dort können wir unser Lager aufschlagen«, sagte Will und deutete auf die Büsche. »Das ist seit Stunden der erste geeignete Platz. Wer weiß, wann wir einen anderen finden.«
Horace zuckte mit den Schultern. Er hatte gar nichts dagegen, Will die Entscheidungen treffen zu lassen, und nur einen Vorschlag gemacht, ohne Wills Führungsanspruch infrage zu stellen. Horace war im Grunde eine einfache Seele. Er gehorchte auf Kommandos und folgte den Entscheidungen, die andere trafen. Jetzt reiten. Hier halten. Dort kämpfen. Solange er der Person, die die Entscheidungen traf, vertraute, folgte er bereitwillig.
Und er vertraute Wills Urteilskraft. Er hatte den Eindruck, dass die Ausbildung als Waldläufer ihn klüger und überlegener gemacht hatte. Und natürlich hatte er damit im Großen und Ganzen auch recht.
Als sie abstiegen und ihre Pferde durch das Dickicht auf eine dahinterliegende Lichtung führten, stöhnte Will leise auf. Nach einer Nacht im Sattel mit nur ein paar kurzen Pausen war er steifer, als
er gedacht hatte. Ein paar Stunden Schlaf schienen jetzt die beste Idee. Er
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