Die Chroniken von Gonran 1: Stärke oder Tod (German Edition)
Sattel, und gerade als Tron losreiten wollte, hob Pete die Hand.
„Einen Moment, Tron … einen Moment. Einer lebt vielleicht noch.“
„Lass gut sein. Wir können keine Gefangenen mitnehmen. Wenn die Gur es wollen, wird er überleben. Auf geht’s!“ Tron drückte seine Fersen in die Flanken von Schwarzer Donner, der lospreschte, dicht gefolgt von Xaron.
Ohne weitere Zwischenfälle jagten sie in halsbrecherischem Tempo durch den Wald. Einige Male stoppte Tron das Pferd, da er Geräusche hörte, die Pete beim besten Willen nicht ausmachen konnte. Sie ritten weiter und erreichten nach einigen Stunden endlich den Waldrand.
Vor ihnen machten sich unendlich weite grüne Wiesen breit, die nur von kleinen Hügeln unterbrochen wurden. Selbst die Hügel waren mit saftigem Gras überwachsen. Der frische Duft des Grases kroch in Petes Nase und er erinnerte sich an die Wiese hinter dem Waisenhaus, wo er so oft gespielt hatte. Er erinnerte sich an das Waisenhaus, wo er jeden Abend vor dem Schlafen das Bild seiner Eltern in sich aufsog.
Seine Eltern.
Sein Vater war nun nicht mehr und die Mutter war verschwunden. Er würde niemals mehr ihre Umarmungen spüren können, niemals mit ihnen spielen oder von ihnen eine Gutenachtgeschichte hören. Sie würden niemals mit ihm lachen oder streiten, so wie die anderen Familien es taten.
Nein.
Pete würde dies alles in seinem Leben nicht mehr erfahren. Er würde niemals wissen, was es heißt, Eltern zu haben. Denn sein Vater war tot.
Eine leise Hoffnung regte sich in Pete, dass vielleicht, ja nur vielleicht, seine Mutter noch irgendwo da draußen am Leben war. Doch dieser kleine Keim wurde sogleich wieder überrollt von unendlicher Trauer über den Tod seines geliebten Vaters.
Tron deutete mit geschwellter Brust an den Horizont.
„Am Ende des Flachlandes erhebt sich der Lichterberg, der Anfang und das Ende von Turion. Das ist …“, Tron wandte sich voller Stolz zu Pete. Als er bemerkte, dass eine Träne nach der anderen dessen Wangen herunterliefen, hielt er mitten im Satz inne. Behutsam legte Tron seine Hände auf Petes schmale Schultern.
„Lass uns weiterreiten. Ich zeige dir deinen Vater. Danach kannst du selbst entscheiden, was du weiter tun willst. Bist du damit einverstanden?“
Pete schluchzte laut, rieb sich mit der Hand die Nase sauber und nickte.
„Meine Eltern … Mein Vater ist tot! Warum? Warum er? Wieso konntet ihr ihn nicht retten? Mich konntet ihr ja auch von der Erde holen. Warum ist er tot!?“, schrie er aus tiefster Seele. All die Gefühle, die er seit der Ankunft auf Gonran zurückhalten musste, brachen wie eine Lawine über ihn herein. Er schluchzte und zitterte am ganzen Körper. Er fühlte, wie Tron ihn festhielt, ihm mit seinen Händen Halt gab. Pete legte seinen Kopf auf Trons Schulter und weinte bitterlich.
Tron flüsterte: „Wir müssen los, Pete, hier sind wir nicht sicher. Du hast mein Wort. Du kannst jederzeit gehen, wann immer du willst.“
Weinend und schluchzend brachte Pete nur hervor: „Gehen wir … Vater, Mutter …“, und die Tränen quollen weiter aus ihm heraus.
Tron gab Xaron ein Zeichen, damit dieser die Vorhut übernahm, und sie ritten Turion entgegen.
10. KAPITEL
Pete öffnete langsam die Augen. Verschwommene Gedanken umgaben ihn und er versuchte, durch den dicken Nebel vor seinen Augen irgendetwas zu erkennen. Die Erde bewegte sich in regelmäßigem Rhythmus unter ihm und er hörte das Klappern von … Hufen?
„Na, wieder bei uns, Junge?“, sagte eine ihm wohlbekannte Stimme. Pete hatte sich gewünscht, das Ganze wäre nur ein böser Traum, aus dem er wieder aufwachte. Doch da war er mit Tron auf seinem Pferd. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und streckte seine Arme.
Benommen ließ er seinen Blick über die Umgebung wandern und fragte: „Wo sind wir? Sind wir schon da?“
Natürlich wusste er, dass dies nicht der Fall war, denn sie waren umgeben von grauen und weißen Felsbrocken, die hin und wieder einem Büschel Gras Platz ließen.
„Noch nicht, Junge, noch nicht. Aber in ein paar Stunden haben wir es geschafft.“ Tron klopfte Pete anerkennend auf den Rücken. „Du bist stark, Pete. Wir sind stolz auf dich.“
Wir? Meint er mit „wir“ ihn und meinen Vater?
Bei dem Gedanken schossen ihm wieder die Tränen in die Augen. Mit aller Kraft verdrängte er diese erst mal wieder. Wenn er bisher auf Gonran etwas gelernt hatte, war es dies: Gedanken und Schmerz zu
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