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Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier

Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier

Titel: Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Schafer
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noch einmal«, rief er.
    »Bin bereit.« Dev klang erfreut. Kiran konzentrierte sich. Er hatte Dev klettern sehen, und sein Gedächtnis war von den jahrelangen Wirkmusterübungen geschult. Wenn du die Füße richtig setzt, ist der Rest einfach, hatte Dev gesagt. Also, wo hatte Dev die Füße hingesetzt? Kiran dachte zurück und musterte dabei die Felswand. Ah   – dorthin. Er stemmte einen Fuß auf eine rundliche Ausbuchtung, verkeilte den anderen in einem Spalt und drückte sich aufwärts.
    Ohne die Angst zu fallen, die sonst jede Bewegung überschattete, war der übrige Aufstieg lediglich eine Ausdauerübung. Seine Muskeln zitterten vor Erschöpfung, als er auf den breiten Felssims kroch, wo Dev wartete. Kiran ließ sich behutsam auf dem Fleck nieder, den Dev ihm wies, und ließ sich erleichtert seufzend gegen die Wand sinken.
    »Nicht schlecht fürs erste Mal.« Mit fliegenden Fingern band Dev ein zweites, kürzeres Stück Seil an Kirans Klettergeschirrund einen in der Nähe eingeschlagenen Haken. Auf Kirans skeptischen Blick nickte er. »Das ist ernst gemeint. Du machst es besser als manch anderer.«
    Kiran bekam ein warmes Gefühl in der Magengegend. Er rieb sich die schmerzenden Unterarme. »Wenn das ein leichter Aufstieg war, möchte ich nicht wissen, was ein schwieriger ist.«
    Devs Mundwinkel zuckten. »Keine Angst, die Vorführung ist zu Ende. Jetzt kannst du dich eine Weile entspannen.« Er schaute zum Kopf des Zuges hinunter, wo ein stetes Hin und Her von Männern und werkzeugbeladenen Maultieren zu beobachten war. Ihr Ziel lag hinter der Biegung außer Sicht, aber das Klirren der Werkzeuge auf Stein und die schwankenden Töne eines sulanischen Arbeitsliedes hallten aus der Schlucht herauf. »Lass mich nur eben ein paar Sachen wegstecken, dann kümmern wir uns um das Karkabon.«
    Das sonnenwarme Gestein tat Kirans schmerzendem Rücken gut. Er krümmte die Finger. Das Brennen der Muskeln hörte endlich auf. Die Schlucht wirkte bemerkenswert friedvoll. Die Farben schienen kräftiger, leuchtender als in der Stadt. Die schroffe Felswand gegenüber war blendend weiß, von einigen rostroten und grauen oder braunen Streifen durchzogen, und der Himmel war so blau, wie Kiran ihn noch nicht gesehen hatte.
    Zu seiner Erleichterung war in der azurnen Weite nicht das kleinste Wölkchen zu sehen, das sich vielleicht zur Sturmwand auswachsen könnte. Ruslan konnte nicht wissen, auf welcher Route Kiran Ninavel verlassen hatte. Nachdem es ihm nicht gelungen war, Kiran aus der Deckung zu scheuchen, mochten ihm ein paar Tage Verschnaufpause vergönnt sein, in denen Ruslan auf anderen Routen jagte. Jedenfalls hoffte er das inständig.
    Ein Rasseln riss ihn aus seinen Gedanken. Dev ließ die Finger über einen Satz Kletterhaken an einer Seilschlinge gleiten, als ob er sie zählte. Dabei schaute er jedoch an der Felswand hinauf und wirkte sonderbar abwesend.
    »Wonach schaust du?«, fragte Kiran.
    Dev legte die Schlinge hin. »In den roten Bändern dort findet man Karkabon. Ich meine, dort werden wir am ehesten Glück haben.« Er zeigte nach links oben, wo ein Streifen Rot durch einen glatten Abschnitt der Wand verlief.
    »Bitte sag, dass das ein Scherz ist!« Die Wand war leicht überhängend, und Kiran konnte nirgends einen Spalt oder Sims entdecken. »Wir können doch unmöglich daran hinaufsteigen!«
    Devs schiefes Grinsen kam zum Vorschein. »Wir nicht, da hast du recht. Du bleibst schön hier und kannst aufhören zu zucken wie ein Schwanz im Tellereisen.« Er stand auf und zog sich das Hemd aus. Dann legte er das Kletterseil ab.
    »Was tust du denn da?« Dev hatte ihm eingeschärft, dass das Seil sein Lebensretter war und beim Klettern niemals abgelegt werden durfte.
    »Den Brudermörder kann man nicht mit Kletterhaken besteigen, und ohne die braucht man auch kein Seil. Das wäre nur unnötiges Gewicht.« Dev streckte die Arme über den Kopf und ließ die Hände kreisen. »Wenn ich bei der roten Ader ankomme, kann ich einen Haken zwischen die Schichten schlagen. Dann setze ich mich in eine Schlinge, breche einen ordentlichen Stein heraus und verlasse über einen aufsteigenden Quergang den Überhang. Wenn das geschafft ist, klettere ich zu dir hinunter.« Das sagte er so leichthin, als beschriebe er einen Weg durch die Stadt.
    »Du willst eine Wand, die Brudermörder heißt, besteigen, ohne dich anzuseilen?« Hatte Dev den Verstand verloren?
    Dev schnaubte belustigt. »Lass dich von dem Namen nicht beeindrucken.

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